laut.de-Kritik

Übers Verlorengehen und Gefundenwerden.

Review von

Musikalisch ist Laura Gibson auf "La Grande" aufgestanden, statt liegen zu bleiben. Hat die fast schon deprimierende Melancholie ihres letzten Albums "Beasts Of Season" abgestreift und sich von einer zarten Folk-Fee in eine Songwriterin verwandelt, die stärker ist denn je. Allein der Album-Einstieg ist wegweisend: Trommelnd prescht der Titelsong "La Grande" durch einen musikalischen Western, in dem Laura Gibson die Heldin ist.

Die Ansage auf ihrem jüngsten Werk ist klar: "I am not a lamb, I am a lion", "Ich bin kein Lamm, ich bin eine Löwin", singt sie in "Lion/Lamb" mit ihrer bebenden Mädchenstimme. Auf den früheren Flüster-Folk Gibsons finden sich hier, wie in dem zerbrechlichen, spärlich instrumentierten "Milk-Heavy, Pollen-Eyed" oder dem sehnsuchtsvollen "Time Is Not" voller Lagerfeuer-Romantik, höchstens noch Hinweise. Laut ist "La Grande" deswegen noch lange nicht geworden. Nur selbstbewusster.

"Ich habe mich voller Energie gefühlt, als ich 'La Grande' gemacht habe", verrät Laura und erklärt den Richtungswechsel so: "Nach dem sehr ruhigen, meditativen 'Beasts Of Seasons' war es an der Zeit, etwas mehr Spaß zu haben." Dieser Spaß ist ihrem neuen Album anzuhören.

Gibson experimentiert, probiert sich aus und geht neue Wege, ihre Wege. In zehn Stücken, die auf ihre selbstreferenzielle Art einzigartig sind, vereint die Amerikanerin ihre Liebe zu Bossa-Nova-Rhythmen und den leisen Tönen, verbindet klare Songstrukturen und ausgefeilte Kompositionen. Da finden sich plötzlich ein hypnotisches Flötenspiel, flirrende Gitarren und vorsichtige Pianoanschläge nebeneinander.

Mit dem verspielten Pop ihrer entfernten Folk-Verwandten, die aus der Not heraus gerne für Vergleiche hinzugezogen wird, hat die Liedermacherin musikalisch wenig bis gar nichts zu tun. Aber in einer Hinsicht zieht der Vergleich vielleicht doch: Als Songwriterin ist Laura Gibson - ähnlich wie Leslie Feist - eine der größten Inspirationen, die die Jahre 2011/2012 bislang zu bieten hatten.

"La Grande", Französisch für "Die Große", könnte selbstbewusst den eigenen musikalischen Wachstum beschreiben - doch Laura Gibson ist ein bescheidener Mensch. In diesem Fall ist "La Grande" kein Statement, sondern eine Kleinstadt im Nordosten Oregons. Einst verlieh ihr ein früher französischer Siedler den Namen als Zeichen für ihre Schönheit. Doch darum schert Laura Gibson sich wenig: Ihr ging es sowohl bei der Titelauswahl für ihr neues Album als auch in ihren neuen Songs um Wurzeln. Um Geschichte. Ums Verlorengehen und Gefundenwerden.

Als die Liedermacherin ihr Album schrieb, fühlte sie sich von La Grande inspiriert. Nahe des Städtchens, erklärt sie im Interview beeindruckt, seien noch die Wagenspuren des Oregon Trails, der größten westlichen Siedlerroute in der Geschichte der USA, zu sehen. "Es gibt dort viel Geschichte der Ureinwohner - und ein Großteil davon ist ziemlich tragisch", so Laura über die Magie, die La Grande für sie in sich trägt.

"Es ist ein Gebiet, das sowohl die Triumphe als auch die Tragödien Amerikas repräsentiert." Gleichzeitig ist es ein Gebiet voller Flüchtigkeit, "ein Ort, den du vor allem bereist, um aus dem Rest der USA nach Oregon reinzukommen - oder umgekehrt. Es scheint so, als wäre jede Band, die ich kenne, dort schon mal mit ihrem Bus liegengeblieben oder irgendwie anders festgehangen. Vielleicht ist das das Bermudadreieck im Nordwesten der USA."

Trackliste

  1. 1. La Grande
  2. 2. Milk Heavy, Pollen Eyed
  3. 3. Lion/Lamb
  4. 4. Skin Warming Skin
  5. 5. The Rushing Dark
  6. 6. Red Moon
  7. 7. Crow/Swallow
  8. 8. The Fire
  9. 9. Time Is Not
  10. 10. Feather Lungs

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