laut.de-Kritik
Wenn ein Techno-Produzent träumt...
Review von Daniel StraubDer irische Produzent Phil Kieran ist ein Mann mit vielen Gesichtern. Unermüdlich im Studio tätig, hat er während seiner Laufbahn schon die unterschiedlichsten Stil-Richtungen durchprobiert. Eine Konstante freilich bleibt, die Nutzung von elektronischen Klangerzeugnern. Da macht auch sein jüngstes Projekt mit dem französischen Titel Le Carousel keine Ausnahme. Allerdings schlägt der ansonsten vor allen Dingen für seine pfundigen Techno-Tracks geschätzte Produzent hier erstaunlich housige Töne an und offenbart eine nicht gekannte Liebe zu Vocals.
Zuletzt war Phil Kieran des öfterem zusammen mit House-Legende Green Velvet im Studio. Dort entstanden einige neue Tracks sowie ein Kieran-Remix des Green Velvet-Klassikers "Preacher Man". Die Zielrichtung der Kooperation ging ganz klar in Richtung Club. Gleiches gilt für die zahlreichen Releases, die er seit der Gründung im Jahr 2011 auf seinem eigenen Label Phil Kieran Recordings veröffentlicht hat. Um so stärker hebt sich nun sein Projekt Le Carousel davon ab: Melodisch, verträumt, minunter fast rockig und wenn elektronisch dann mit gedrosseltem House-Tempo zeigt Phil Kieran eine neue Seite von sich.
Dafür hat der Ire eine ganze Reihe von Sängerinnen und Sängern in sein Studio eingeladen und am Ende auch fast allen Stücken Vocals zur Seite gestellt. Das ist jedoch nicht die einzige Neuerung im Sound von Phil Kieran. Als roter Faden ziehen sich luftige, hall behaftete Melodien durch die Tracks. Assoziationen an die poppigen Releases vom Kölner Kompakt Label, die schmachtenden Songs von The Cranes oder die krautrockigen Töne, die Nathan Fake und James Holden gerne einmal anschlagen, werden bei Stücken wie "Lost Years", "Lose Your Love" oder "Away" wach.
Die starke Fokus auf den melodischen Arrangements weist den Rhythmen eine eher untergeordnete Funktion zu. Mit einer beiläufigen Selbstverständlichkeit schieben sie die Tracks an, niemals zwingend, dafür aber mit einer begeisternden Lockerheit. Gegen Ende von "Le Carousel" muss sich Phil Kieran schließlich gar nichts mehr beweisen und verzichtet auf das, was normalerweise sein Broterwerb ist. "Broken" und "Forget Me Not" kommen ganz ohne Groove-Fundament aus und sind vielleicht gerade deswegen die stärksten Nummern des Albums.
Insgesamt ist "Le Carousel" ein Album, das von der ersten bis zur letzten Note überrascht. Das gilt zumindest für alle, die den Techno-Produzenten Phil Kieran kennen. Doch auch wer unvoreingenommen an das Album geht, hat damit sicherlich seine Freude.
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