laut.de-Kritik

Nun kann jeder Fan seine Anlage verbrennen.

Review von

Es gibt Geschichten ohne befriedigenden Schluss. Geschichten, die nie wirklich zu Ende erzählt wurden. Die Story von Led Zeppelin ist eine davon. Als Schlagzeuger John Bonham 1980 am eigenen Erbrochenen erstickte, war dies mehr als nur ein tragischer Schock. Seither hatten Generationen von Musikfans immer wieder den einen Wunsch, nämlich die Legende, die mit dem Tod des Trommlers auseinander brach, noch einmal auf der Bühne zu erleben. Ein einziges Mal.

Einer, der diese Gefühle ebenfalls aus der Warte des Fans beschreibt, ist Johns Sohn Jason. In den Linernotes zum Album fasst er seine Gefühlslage derart emotional zusammen, dass man es dem sympathischen Schlagzeuger von Herzen gönnt, dass sein lange gehegter Traum am 10. Dezember 2007 endlich in Erfüllung ging.

Mit der Benefizshow zu Ehren des verstorbenen Atlantic-Gründers Ahmet Ertegün kam die wohl einflussreichste Band des Planeten noch einmal zusammen. Man mag sich gar nicht ausmalen, wenn der verhunzte Live Aid-Gig als letztes Livedokument der verbliebenen LZ-Mitglieder hätte gelten müssen. Jason Bonham kann nun mit Stolz seinen Frieden mit der Vergangenheit machen.

Denn was Led Zeppelin auf "Celebration Day" in Ton und Bild festhalten, ist nichts weniger als das definitive Statement dessen, was die Band ausmacht. Vom ersten Ton an fesselt die Intensität und Qualität des Auftritts.

Lässt man die Geschichte Revue passieren und denkt an die Abneigung der Beteiligten, sich wieder auf der Bühne zusammen zu finden, ist man vor allem von der guten Laune überrascht, die ab den ersten Takten von "Good Times Bad Times" auf der Bühne zu herrschen scheint. Die Kommunikation zwischen Page, Plant, Jones und Bonham ist derart locker und gelöst, dass es kaum wundert, dass der Auftritt im O2 zu einem einzigen Triumphzug gerät.

Die Band nutzt den Opener und "Ramble On" dazu, in den Gig hinein zu finden. Ab "Black Dog" nimmt die Geschichte dann Fahrt auf: Led Zeppelin stanzen von da an jede einzelne Note ins Geschichtsbuch der Musikhistorie. Einige der hier aufgeführten Versionen des LZ-Backkataloges können mit Fug und Recht als definitive Versionen bezeichnet werden. Nie zuvor gab es zum Beispiel "No Quarter" zu hören wie hier.

Der Sound jagt einem schon bei Jones' Eröffnungs-Klängen am Piano eine Gänsehaut nach der anderen den Rücken hinunter. Page nimmt den Faden mit gefühlvollen aber kräftigen Gitarrenlicks auf, Bonhams perfektes Schlagzeugspiel flankiert, ehe Plants Organ dem ganzen die Krone aufsetzt. Ein Track zum niederknieen. Die gesamte Band wirkt, als habe sie all die Jahrzehnte mit nichts anderem verbracht, als im geheimen Kämmerlein für diesen finalen Gig zu proben.

Plants veschmitzes Kopfnicken bei Minute 53:11 ist sinnbildlich für die Stimmung des Konzerts: Sie wissen zu diesem Zeitpunkt schon, dass diese Aufnahme Geschichte machen wird. Eine perfekte Zusammenfassung des Abends und der Stimmung im weiten Rund!

Die Reaktion eines Fans nach der Vorführung des Films im Kino fasst es ebenfalls treffend zusammen: "If there's anyone out there who doesn't know what Led Zeppelin is about, then watch this film and you will know". Fürwahr. Nach "Stairway To Heaven" schickt Plant dem Verstorbenen noch einen Gruß gen Himmel: "Ahmet, we did it!" Oh ja. Und wie. Der Alltime-Favourite stellt aber in der Setlist ganz und gar nicht das Highlight dar. Und das will was heißen.

Wer bei "No Quarter" noch nicht wusste, welcher Film hier abgeht, der bekommt es bei "Kashmir" mit aller Kraft ins Rückenmark geritzt. Schon bei Bonhams Anzählen auf der Hi-Hat weiß man: Jetzt kann nur ein Song kommen. Und er kommt. Mit Wucht. Druckvoll. Unwiderstehlich. Die Band wird hier eins mit dem Publikum. Was da durchs sterile Betonoval schwappte, war weit mehr als nur ein Song. Jede Facette von "Kashmir" steuerte seinen Teil zum Höhepunkt des ganzen Abends bei.

"They nailed it!" Wie viel mehr Musik kann eine Band noch sein? Wer sich nur ein ganz klein wenig Fan dieser Band schimpft, könnte nach dem Genuss dieses einzigen Songs getrost seine Anlage verbrennen. Denn mehr geht einfach nicht. Da wir allerdings stets den Süchten anheim fallen, nehmen wir die Gelegenheit gerne wahr, dieses Event immer und immer wieder zu erleben.

Wer nach den gut zwei Stunden an irgendetwas herumkrittelt, was auf der DVD zu sehen ist, muss nicht ganz bei Trost sein. Wer mäkelt, Plants Stimme wäre nicht mehr auf der Höhe, dem setzt der mittlerweile 64-Jährige derart viel Gefühl entgegen, dass es wirklich vollkommen egal ist, ob er die Tonleiter noch ganz nach oben klettert.

Wenn sich 20 Millionen Menschen für Karten registrieren lassen, kann man davon ausgehen, dass auch dem abgebrühtesten Rockstar das ein oder andere Mal die Düse geht. Mitunter dürften die Erwartungen (nicht nur) der damals Anwesenden schwindelerregende Höhen erreicht haben. Nicht weniger als das Evangelium des Rock'n'Roll sollten die alternden Herrschaften abliefern. Lange genug haben wir ja schließlich warten müssen. Und die Herren lieferten.

Schaut man sich an, wie Led Zeppelin am Ende des Konzerts strahlend und zufrieden beieinander stehen, muss man nicht mehr wirklich traurig sein, dass diesem Konzert keine Welttour folgte. Besser als an diesem Abend hätte es nie wieder werden können. Die Geschichte wurde an jenem Abend in London ein für allemal zu Ende erzählt. Für immer. Und es ward gut.

Trackliste

  1. 1. Good Time Bad Times
  2. 2. Ramble On
  3. 3. Black Dog
  4. 4. In My Time Of Dying
  5. 5. For Your Life
  6. 6. Trampled Under Foot
  7. 7. Nobody's Fault But Mine
  8. 8. No Quarter
  9. 9. Since I've Been Loving You
  10. 10. Dazed And Confused
  11. 11. Stairway To Heaven
  12. 12. The Song Remains The Same
  13. 13. Misty Mountain Hop
  14. 14. Kashmir
  15. 15. Whole Lotta Love
  16. 16. Rock And Roll

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