laut.de-Kritik

Kanye und Wyclef helfen, den Soul zu retten.

Review von

"Where did all the soul go?" Leela James beantwortet ihre Frage selbst. In "A Change Is Gonna Come" reicht sie all das nach, was der Bling-Bling-Einheitsbrei-R'n'B der letzten Jahre viel zu oft vermissen ließ. Diese Dame hat beides: im wahrsten Wortsinne Rhythm AND Blues, dazu eine Soulstimme, die der Aretha Franklins in nichts nachsteht. Eine ganze Armee hochkarätiger Produzenten hilft dabei, Leela James' Debüt zu dem zu machen, das es geworden ist: einer Perle für den Plattenschrank. Ich war eigentlich bis vor kurzem der Ansicht, derart funky und soulful konnten sie es nur in den 60er und frühen 70er Jahren. Weit gefehlt.

"Back Porch Soul" nennt Leela James ihren Stil, und in der Tat fühlt man sich auf ihre Veranda und in ihren Familienkreis aufgenommen, wenn sie singt; zwischendurch eingestreute bluesige Einschübe, zuweilen mit Gitarre und Mundharmonika, verstärken noch den anheimelnden Eindruck. Allerdings beherrscht Leela James gleichermaßen das ganz große Kino: Basierend auf einem Sample aus "Funky Sensation" liefert sie mit "Good Time" einen eins-a Partysong ab, der auch dem Hip Hop seine Referenz erweist. Wyclef Jean konstruiert für "Ghetto" ein unglaublich dichtes, mächtiges Fundament mit schönen Gitarrenlinien.

So viel Unterstützung hätte Leelas beeindruckende Stimme bei weitem nicht nötig gehabt: Sie kommt in den langsameren Tracks, in denen sie im Vordergrund steht, noch besser zur Geltung. Raphael Saadiq, derzeit einer der Top-Produzenten im R'n'B, hat das offensichtlich erkannt: Sowohl in "Soul Food" als auch in "Rain" belässt er das Hauptaugenmerk auf der Sängerin. Die ruhigen und dennoch funkgetränkten Instrumentals bilden lediglich unauffällig schmückendes Beiwerk.

Ob "Mistreating Me" (mit begleitendem Saxophon und Akustikgitarre) oder das eher auf dezente Orgeln setzende "When You Love Somebody" - auf der Höhe der Zeit produziert, könnten die Songs doch einer wie der andere aus den 60ern stammen. Solches tut der Titeltrack "A Change Is Gonna Come": Leela James covert Sam Cooke mit einer ordentlichen Portion Blues im Blut. Selbst bei lange gehaltenen Tönen zeigt sie keine Unsicherheiten, nicht die leiseste Spur von Zittrigkeit. Leela James' Interpretation von No Doubts "Don't Speak" lässt diese Nummer wahrhaft wachsen; auf Gitarrensaiten quietschende Finger verstärken hier nur wieder den Eindruck, auf der heimatlichen Terrasse zu sitzen. Gibt es ein deutsches Wort für "homegrown"?

Wunderbar, warum gibt es heute nicht mehr von dieser Sorte? Nein, statt dessen, wie in "Music" bemängelt wird, viel zu viel seelenloses Radiogedudel. Doch Leela James hält dagegen: Mit Blues, wie er im Buche steht, in "My Joy". Und wenn Alleskönner Kanye West mit präsenten und doch zurückhaltenden Bässen in einem unglaublich verwobenen Hintergrund die beste anzunehmende Plattform für Leelas tiefen, samtigen Gesang kreiert, dann sagt der Songtitel wieder einmal alles, das gesagt werden muss: "It's Alright".

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. Music
  3. 3. Good Time
  4. 4. Ghetto
  5. 5. Soul Food
  6. 6. Rain
  7. 7. When You Love Somebody
  8. 8. Mistreating Me
  9. 9. Don't Speak
  10. 10. My Joy
  11. 11. It's Alright
  12. 12. Didn't I
  13. 13. Prayer
  14. 14. A Change Is Gonna Come
  15. 15. Long Time Coming

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