laut.de-Kritik

Handzahme Pop-Medizin gegen Selbstzweifel.

Review von

Wer die funkelnde "ESC"-Krone und vier vergoldete sowie eine Platin-Platte daheim an der Wand hängen hat, der müsste doch eigentlich vor Selbstvertrauen nur so strotzen. Im Fall von Lena Meyer-Landrut sieht es aber anders aus. Die Lebensgefährtin von Mark Forster hat schwere Monate hinter sich, in denen zermürbende Selbstzweifel und die ständige Angst, den Erwartungen der Öffentlichkeit nicht gerecht zu werden, dazu führten, dass aus dem quirligen PopPop-Duracell-Häschen ein kleines Häufchen Elend wurde.

Mit dem Trübsal blasen soll nun aber Schluss sein. "I know that I have tried this, tried that / I did it just to reach the things, that's so sad / I thought that you might like it like that / But nothin' ever felt so bad", singt Lena im Titel-Track ihres Comeback-Albums "Loyal To Myself". Die Veröffentlichung ihres sechsten Longplayers soll den Beginn einer neuen Reise markieren – der Reise ins Ich. Mehr Selbstliebe, weniger Druck. Mehr Erdung, weniger Stress. Helfen soll ihr dabei Musik, die sich so nah am Puls der Zeit orientiert, dass man fast schon wieder meinen könnte, hier gehe es einzig und allein um das Erfüllen von Erwartungen.

Während Lena gewohnt japsend auf den Spuren der ganz jungen Shakira wandelt, ziehen die verantwortlichen Reglerdreher alle Register. Selbst die hin und wieder eingestreuten Akkorde einer akustischen Gitarre klingen, als kämen sie direkt aus der Casio-Hölle.

Das soundtechnisch doch arg klinische Gesamtbild erzeugt dennoch eine gewisse Wärme, was wohl daran liegt, dass nur wenige Songs mit der Tür ins Haus fallen. Lena lässt ihren keimenden Selbstheilungsprozess von zumeist sehr soften Sounds begleiten. Ein bisschen Club-Pop ("Right Reason"), ein paar hibbelige Trippelbeats ("Dry Worth Doing") und ein Wink in Richtung Nico Santos und Co. ("Straitjacket"): Der Uptempo-Bereich ist überschaubar.

Lena fühlt sich hörbar wohler, wenn sich atmosphärischer Hall ausbreitet ("First Love"), zarte Pianoklänge den Feierabend einläuten ("See You Later") und der inspirierende Vibe von Taylor SwiftTaylor Swift wie eine watteweiche Wolke über dem großen Ganzen schwebt ("Run Charlie", "I Miss U"). Im Kampf gegen Selbstzweifel und Erwartungshaltungen setzt Lena alles auf die Karte mit der Aufschrift "Deeskalation". Auf der Tanzfläche ("Good Again") und im Friedrichshainer Hinterhof ("Mean Girls") umarmt man sich eher mit zuckriger Attitüde, als dass man sich battlelike im Competition-Modus begegnet.

Lenas Pop ist handzahm und tut nicht weh. Eine große Hymne oder einen richtigen Hit sucht man vergebens. Aber darum geht es vielleicht auch gar nicht. "Loyal To Myself" ist kein Album, das die Massen ausrasten lässt. Es ist eine Platte, die man sich als Fan von grundsolider Popmusik wunderbar zuhause anhören kann. Im Anschluss schreibt man dann mit einem Lächeln im Gesicht den Einkaufszettel oder man schmeißt den Rasenmäher an. Vielleicht geht man aber auch - wie Lena – ein bisschen in sich und freut sich darüber, dass man mit sich und der Welt (wieder) im Reinen und im Einklang ist.

Trackliste

  1. 1. Let Me Dream
  2. 2. Loyal To Myself
  3. 3. Brown Blue Eyes
  4. 4. Right Reasons
  5. 5. First Love
  6. 6. See You Later
  7. 7. Run Charlie
  8. 8. I Miss U
  9. 9. Good Again
  10. 10. Unbreakable
  11. 11. Mean Girls
  12. 12. Drug Worth Doing
  13. 13. Lass Mich Träumen
  14. 14. Strip
  15. 15. Looking For Love
  16. 16. What I Want
  17. 17. Straitjacket

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10 Kommentare mit 18 Antworten

  • Vor 6 Monaten

    Vorweg: ja, ich bin Lena-Fan der ersten Stunde, aber wenn man ihren Weg wirklich mitverfolgt hat, ist Loyal To Myself eines ihrer ehrlichsten und emotionalsten Alben, man kann einfach so stark mitfühlen… dabei geht es mir nicht so sehr um den „handzahmen“ Sound, sondern eben vielmehr um den Inhalt der Texte. Wenn man sich darauf einlässt, dann kann man einfach nicht anders, als auch ein, zwei Tränchen zu verdrücken.

  • Vor 6 Monaten

    "hat schwere Monate hinter sich, in denen zermürbende Selbstzweifel und die ständige Angst, den Erwartungen der Öffentlichkeit nicht gerecht zu werden"

    Ich hoffe aufrichtig, dass sie diese Probleme in den Griff bekommt.
    Vielleicht würde es helfen, auf die Erwartungen anderer einfach zu pfeifen und zur Abwechslung mal gute Musik zu machen. Und den Kreativ- und Produktionsprozess nicht gänzlich in anderer Leute Hände zu legen. Ich hörte, es tut unheimlich gut, Verantwortung für seine Kunst zu übernehmen. Und Geld wie Heu hat sie ja eh schon, hat also im Grunde nix mehr zu verlieren.

    Als ich ihr Album gegoogelt hab, wurde u.a. "Lena Meyer-Landrut: Im knappen Höschen sorgt sie für Begeisterung" angezeigt. Ich hasse das Internet.

    • Vor 6 Monaten

      Dieser Kommentar wurde vor 6 Monaten durch den Autor entfernt.

    • Vor 6 Monaten

      Da stimme ich dir uneingeschränkt zu. Zum Kotzen ist das alles. Aber genug aufgeregt. Nun werde ich aus Interesse an ihrer musikalischen Entwicklung erstmal ihr Album googeln.

    • Vor 6 Monaten

      Hmm, hast du bei "alle suchergebnisse" oder bei den News gesucht?

    • Vor 6 Monaten

      Naja, „den Kreativ- und Produktionsprozess gänzlich in die Hände anderer Leute legen“ liegt als Vermutung zwar nahe, stimmt hier aber nicht. Nach dem was man liest war sie an den Texten & den Kompositionen immer mindestens beteiligt. Ich denke, hier kann man ihr keinen großen Vorwurf machen.

    • Vor 6 Monaten

      "mindestens beteiligt", holy cow. Na dann. :rolleyes: Und ich Naivling hab angenommen, dass bei nem kulturindustriellen Auswurf wie diesem ausschließlich das Geld entscheidet und kreative Autonomie eine Illusion ist.

  • Vor 6 Monaten

    Dieser Kommentar wurde wegen eines Verstoßes gegen die Hausordnung durch einen laut.de-Moderator entfernt.