laut.de-Kritik
In der Walpurgisnacht nahm das Unheil seinen Lauf.
Review von Philipp SchiedelDie Liars waren nach ihrem letzten Album ziemlich beleidigt: "Wir waren richtig geschockt, dass wir so schnell in dieses 'Post-Punk-Brooklyn-Art-Dance'-Fach geschoben wurden", ärgerte sich Sänger Angus Andrew. Und was macht er dann? Er will sich beweisen. Deshalb schmeißt er die Hälfte der Band raus und verschanzt sich mit seinen zwei Mitstreitern in einem Haus in New Jersey, um diese Platte hier aufzunehmen. Ich will ehrlich sein. Von mir aus hätte er sich das sparen können. Aber er macht streng weiter und will allen beweisen, dass er ein Künstler ist. Dass er besser ist als die lausigen Slacker mit ihren vier Akkorden, die in Brooklyn ihren Erfolg genießen.
Durch einen Tippfehler vom Liars-Gitarristen – der den ersten Track "Broken Witch" in Google eingeben wollte und dabei aber nach "Brocken Witch" suchte – stoßen die Lügner in der Anfangsphase der Produktion auf die Walpurgisnacht-Geschichte. Und von da nimmt das Unheil seinen Lauf. Wir erinnern uns: Walpurgisnacht. 30. April. Da fliegen die Hexen um den Berg Brocken. Was bei unsereins schlechte Erinnerungen an die Grundschule mit sich bringt, erwirkt bei den Amis großes Staunen. Wow, Hexen und Okkulte und so. Da machen wir gleich ein Konzept-Album raus, denken sie die Lügner und erfinden daraufhin eine zehn Tracks lange Geschichte von einem Kampf zwischen Hexen und den ängstigen Dorfbewohnern.
Also werden wieder die langen Songtitel rausgeholt (bester Streich so far: "If you're a wizard, so why don't you wear glasses?") und die Kinder-Casios angemacht. Was die Liars schon auf ihrem letzten Album andeuteten, treiben sie jetzt auf die Spitze. Diese Platte verabschiedet Melodie und Songstruktur. Zusammenhangslos und fast schon willkürlich sind hier Sounds aneinander gereiht. Es rumpelt, es rauscht und es nervt. Nein, bei "Steam rose from the lifless cloak" springt die CD nicht, das ist so gewollt. Wahllos werden irgendwelche Sounds reingesponnen, die vielleicht für die Band Sinn ergeben, für meine Wenigkeit aber einfach nur Raumfüller sind.
Die Weirdness vom King of Uncool (wie sein Girlfriend Karen O ihr Putzelchen Liars-Sänger Andrews nennt) hat voll zugeschlagen. Seine Vocals sind eine Zumutung, wenn man sie als Vocals betrachten soll. Denn eigentlich geht das gar nicht, sind sie doch meist abstrakte hektisch heraus geschrieene Wortgebilde, oder sie driften wie in "We fenced other houses with the bones of our own" in Mönchs-Gesänge ab. Jaja, das muss Kunst sein.
Im letzten Song "Flow my tears the spider said" sind die Liars dann wohl endgültig bei einer "German Volxweise" angelangt. Der "Song" könnte auch bei einem zünftigen Rittersmahl mit einem großen Met-Zuspruch gesungen worden sein. Dem vorletzten Track zufolge haben die Hexen 14 Dorfbewohner bekommen und dafür den Rest am Leben gelassen. Ob deshalb in den letzten zwei Minuten der Platte nur noch Vögel zwitschern oder ob da noch andere Sachen passiert sind, weiß ich nicht. Und ehrlich gesagt: es interessiert es mich einen Scheiß.
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