laut.de-Kritik
Etwas früh dran mit der Haftbefehl-Nostalgie.
Review von Yannik GölzIrgendwie kriegen wir die Reflexe nicht abgeschaltet, jede kleine Neuinterpretation einer alten Sache sofort als Revolution zu feiern. Als Liz mit ihrem Mixtape "Bleibe Echt" den ersten Eindruck in der Szene geliefert hat, johlten diejenigen im Chor, denen schon ihre offensichtlichen Vorbilder denkbar egal waren. Aber die Rapperin mit der bretternden Stimme und dem FFM-Patriotismus zeigt auf ihrem Debütalbum keine emanzipatorische Bemühung. Im Herzen bleibt "Mona Liza" ein erzkonservatives Straßenrap-Album.
Da beißt die Maus keinen Faden ab: Vom "Intro" an bekommen wir Hoodtales, direkte "ich ficke deine Mutter"-Bars und kaltschnäuziges Geradeaus-Beleidigen. Der Titeltrack "Mona Liza" macht ein bisschen Drill-Gefühle auf, aber verarbeitet sie kaum weiter. Der modernste Beat der Platte regt sie darauf an, ihren Flow mit Biggie zu vergleichen – ganz ähnlich wie ein notorischer H.A.F.T., dessen Stimmdruck und "Money mach / Adidas / Abiat"-Reimkette sie prompt im ersten Part zitiert.
Tatsächlich klingt "Mona Liza" nostalgisch für die Azzlacks-Ära des Straßenraps. Moderne Sounds erscheinen wenn, dann als Nebenprodukt, die Flows könnten alle so aus 2012 stammen. Wenn sie dann "Kuseng" zwanzig mal pro Part droppt, klingt sie nahezu ein bisschen wie der Karlsruher Retro-Gangster Haze, manchmal klingen Lines wie "das ist FFM und nicht Sex in the City" wie eine etwas sattelfestere Ewa.
Apropos: Die kommt auf "Skyline Stories" sogar für ein Feature vorbei. Kann man vielleicht fragwürdig finden, dass die nach ihrem Urteil auf einem Song auftaucht, indem der Menschenhandel von Prostituierten als "noch eine Geschichte aus der Hood" aufgetischt wird. Aber die Chemie zwischen den beiden funktioniert wunderbar, vielleicht auch deswegen, weil ihr Nebeneinander von einem Gefühl der Solidarität getragen wird, endlich auch in dieser Ecke Mitstreiter statt Konkurrenz zu finden. Liz kommt aber doch handwerklich souveräner und vor allem stressfreier, humorvoller rüber. Sie schmiegt sich dieser Ecke so problemlos an. Kein Wunder, dass sich Celo auf dem herausragenden Song "Weisstduwasichmein" in den Hintern beißt, Liz nicht selber gesignt zu haben.
Die Tiefe auf "Mona Liza" entsteht auf den introspektiveren Songs. Ein Song über den Vater ("Apfel"), ein Song über "Mama", ein Song über den Partner ("Wahre Liebe"). Keine von diesen Nummern funktioniert an sich furchtbar, gerade wie sie Kreisläufe der schiefen Bahn anhand der Gefängnisaufenthalte ihres Vaters nacherzählt oder durch eine Begegnung mit ihrer blinden Mutter erzählt – sie beschreibt das nahegehend und sensibel. Aber spätestens die schmalzige Hook auf "Wahre Liebe" mit Lines wie "Scheiße, was hast du mit mir gemacht / Alles für mein' Schatz, yeah" im tiefsten 2000er-R'n'B-Schmonzetten-Modus zeigen, in welchen Gefilden wir hier agieren.
Vermisst man Straßenrap um 2010, dann bietet "Mona Liza" einen Lichtblick. Denn die Frau liefert nicht nur einen Throwback, sondern ein Album, das handwerklich gerne nachträglich noch in den Kanon eingefügt werden kann. Sie ist witzig, schlagfertig und rappt mit einer Menge Schmackes. Sie bringt Beobachtungsgabe und Punchlines mit, erzählt Geschichten, wirkt vollumfänglich authentisch. Aber trotzdem ist sie sehr spät dran, für diesen Sound noch eine große Lanze zu brechen oder sehr früh dran, dafür nostalgisch zu sein. Natürlich ist die reine Existenz von Liz irgendwo ein emanzipatorisches Statement, trotzdem scheint alles an diesem Tape den Status Quo ihres Lieblingssounds zu bejahen. Und man versteht es ja auch: Ein guter Sound bleibt ein guter Sound. Und ein gutes Tape bleibt ein gutes Tape, klar. Aber man darf trotzdem hoffen, dass sie für die nächste Platte ein klein bisschen Cheese wegmodernisiert. Weg mit den Hashtag-Songtiteln, den R'n'B-Anleihen und dem Proto-Trap-Autotune. Das ginge ja alles auch, ohne FFM untreu zu werden.
4 Kommentare mit 2 Antworten
"eine etwas sattelfestere Ewa"
Das trifft es sehr gut. Gehe auch sonst mit der review, ist ein ganz gutes Album mit Schwächen.
Macht mich neugierig. Ewa war jetzt ja nicht unbedingt wegen Skillz und Punchlines krass, sondern weil die Storys und Bilder hatte, die ziemlich Einzigartig waren im Deutschrapgangsterbrei. Gibts das bei Liz dann auch oder wird die einfach weiblich assoziert und trifft den Takt und daher dann der Vergleich?
Teils-teils. Es gibt viele hood tales, sagt ja die review auch, und die sprechen mich auch durchaus an. Aber das wird evtl auch daran liegen, dass es aus der sicht einer frau erzählt ist. Der vergleich gefiel mir glaub ich besonders, weil ich ähnliches beim hören des Features dachte. Haftbefehlvergleich ist aber auch nicht unbegründet.
Was ich mich Frage, wird auf dem Album beantwortet ob Sie den Schuh ihrer Cousine wiedergefunden hat?
Speedi hat sich was zusammen gerapt!
http://ancientcave.blogspot.com/2022/01/nd…
its dope my favorite of the year