laut.de-Kritik
Epische B-Movieparty zwischen Kunst und Kitsch.
Review von Steffen EggertDenkt man an die finnischen Gummimaskenmonster um Mr. Lordi a.k.a. Tomi Putaansuu, fällt einem natürlich zuerst die erfolgreiche Teilnahme am ESC ein. Die Trveness-Fraktion winkt direkt ab und wer sich nicht bewusst mit Mainstream-Rockmusik beschäftigen mag, kommt nicht einmal über Umwege zu dieser illustren Kapelle. Dabei wäre es höchst unfair, Lordi auf diese Aspekte zu reduzieren, bevor man nicht wenigstens ein klein wenig genauer hingesehen bzw. hingehört hat. Hinter all dem Silikon und der Schminke verbirgt sich nämlich eine durchaus ernst zu nehmende Hardrock-Band, die überaus gekonnt mit typischen Genre-Bausteinen, kompositorischem Geschick und natürlich einer ordentlichen Portion Kitsch jongliert.
Der wie üblich in Form eines Wortspiels gestaltete Titel des mittlerweile achzehnten (!) Longplayers "Screem Writers Guild" lässt es bereits vermuten: es geht hier um vorwiegend cineastischen Content. Genauer gesagt um allerhand klassische, teils fiktionale B-Movie Horrorfilme, die aufgrund der liebevollen Songausgestaltungen förmlich vor den Augen des geneigten Hörers ablaufen.
"Dead Again Jayne" startet mit cheesy 50s-Horror-Atmo mit einem Intro à la Twilight Zone, nebst schaurigen Spinett-Tönen. Bevor klar wird, dass der Widerstand gegen ein breites Schmunzeln völlig zwecklos ist, poltert ein sattes Metal-Riff in die Szenerie und die Raspelstimme vom Monsterchef kratzt sich ihren Weg in die Hardrock-Herzen. Es gibt Chöre, Shouts, Screams und ein Solo, das klassischer kaum sein könnte. Wer die Fledermausalben von Meat Loaf mag, kommt hier eigentlich unmöglich daran vorbei. Der zugegeben herrlich alberne Spoken Word Skit "SCG XVIII: Nosferuiz Horror Show" mit Gruselorgel bremst das Album kurz, was aber durch das echt geile "Unliving Picture Show" augenblicklich wieder wettgemacht wird. Wie eine Mischung aus wundersam erträglichen Bon Jovi und der Rocky Horror Picture Show grunzt Mr. Lordi mit aufgesetztem transsilvanischem Akzent durch das comicartige Szenario. Das ist zwar mehr Halloweenparty als Metal, macht aber trotzdem höllisch Spaß.
Noch theatralischer geht es beim massig groovigen "Inhumanoid" zu. Neben den munteren Riffs fallen hier zum ersten Mal die Drums überaus angenehm auf. Von der Stimmung her könnte man leicht Vergleiche mit den ebenfalls gerne mal polarisierenden Ghost aufstellen. Allerhöchstens halbernst spielt "Thing In The Cage" auf das Leben im Rampenlicht an und steckt den Protagonisten als Sideshow Attraction zur allgemeinen Begaffung in einen Käfig. Leichte Goth-Anleihen hier, ein wenig 70s AOR da, einige Tonnen Theatralik und fertig ist ein cooler Midtempo-Stampfer, der mit seinem hypnotischen Soundgewusel an keiner anderen Stelle des Albums stehen dürfte.
Im "Vampyro Fang Club" herrscht progressive Untotenromantik, mit beinahe fröhlichen Synthesizern und eher modernem Hard Rock. Inhaltlich bedient sich die Latexkapelle bei allen, ja wirklich allen, gängigen Klischees des Vampir-Universums. Auffallend voluminös und gekonnt setzt das Frontmonster hier sein Organ ein, als sei es die Vorschau auf die Pianoballade "The Bride". Hier verzichtet er nämlich zum ersten Mal auf den stimmlichen Abrieb und singt die Ode an Frankensteins Braut mit nahezu cleanen Vocals. Obwohl bei dieser von Kitsch nur so triefenden Nummer nicht einmal vor Pop- und Country-Anleihen zurück schreckt, lässt sich hier trotzdem eine gewisse Authentizität ausmachen. Die Melodien sind käsig und pathetisch, aber es passt alles zusammen.
"Lucyfer Prime Evil" mit Höllenintro, Unterweltchören und einer technisch sehr versierten Gitarrenarbeit klingt, als würde King Diamond mit Alice Cooper in einer Halloween-Episode der Muppet Show auftreten. Allerdings ohne dabei weder die Show, noch die Künstler ins Lächerliche zu ziehen. Genau wie das folgende, wieder sehr 80s-lastige "Scarecrow" gehen die Chorusmelodien bereits nach einem Durchlauf direkt ins Ohr und bleiben dort. Beides kann man sich sehr gut auf Tanzflächen oder großen Bühnen vorstellen.
Weil ein klein wenig beliebig und einen Zacken zu gut gelaunt, besuchen wir die "Lycantropical Island" nur kurz und begeben uns direkt in die Poprock-Disco des schweinecoolen "In The Castle Of Dracoolove". Das Stück klingt wie eine moderne Version von Michael Jacksons "Thriller", mit fetteren Gitarren und hymnischer Epik. Stillsitzen ist nicht drin, kann man versuchen, klappt aber nicht.
Bei den "The SCG Awards" hält Dracoola eine weitere Ansprache mit Akzent, wird irgendwann stinkig und meuchelt das Publikum. Keiner wird verschont, kein Auge bleibt trocken. Er bekommt seine Rache mit "Heavengeance", das alle bereits dagewesenen Akzente von "Screem Writers Guild" zum großen Finale bündelt. Es wird gegrunzt, gegroovet, gedancet und gefeiert. Die "End Credits" bzw. deren musikalische Untermalung fällt in Filmen für gewöhnlich ruhig und beschwingt aus. Im Falle von Lordi gibt es ein Spektakel nach dem Spektakel in Form einer dramatischen Powerballade, die sich aufbaut wie ein Orchesterwerk und letztlich in queenscher Epik aufgeht. Großartig!
2 Kommentare mit 5 Antworten
Musik für Sodhan und den lautuser. 1/5
Musik für den Schwingster 0/5
Nix! 5/5 - der Blödsinn macht Spaß!
Da gebe ich dir Recht wenn man aber genau hinhört ist es gute Rock Musik von Lordi vielleicht sagen die Kostüme bei anderen Leuten was anderes.
Aaaah okay, es geht also um das Album Screem Writers Guild von der Band Lordi. Danke Jeudi
Nein, es geht um das Album Raw Data Feel von Everything ... oh ...
Raus mit die Viecha (mal wieder...)!