laut.de-Kritik
Sie kennt den Schmerz, kann auch düster und rau.
Review von Mara WeckerAus dem Nichts tauchte Lykke Li 2008 auf, haute Blogger, Hipster, Kritiker mit ihrem Debüt "Youth Novels" aus den Socken und avancierte zur Indiepop-Sensation. Seitdem haben wir nicht viel von ihr gehört. Die Musikerin zog sich in ein Haus bei Los Angeles zurück und suchte nach all dem Trubel einen Weg zurück zu sich selbst. Jetzt ist Lykke Li 24, die Erwartungen an ihr zweites Album sind hoch.
Der Opener "Youth Knows No Pain" lädt mit energiegeladenem Getrommel in die neue Welt der Lykke Li ein: "Come on get down / Make a mess", eine Hymne an die Jugend, erinnert an die Musik der 60er. Spontan muss ich an den Retro-Sound der (ebenfalls skandinavischen) Asteroids Galaxy Tour denken.
"I Follow Rivers", die zweite Singleauskopplung, deutet bereits an, dass sich Rhythmus und Percussion durch das ganze Album ziehen. Der Refrain besticht mit metaphorischen Liebeserklärungen und pflanzt eine eingängige Melodie ins Ohr: "I, I follow / I follow you / Deep sea, baby". Sphärische Klänge schmiegen sich in "Love Out Of Lust" um Lis unverwechselbare Stimme. "We can do better that I can / So dance while you can / Dance 'cause you must / Love out of lust". Ein sanftes Stück Lebensklugheit. Woher nimmt sie die bloß?
Eindrucksvoll stellt Lykke Li ihre stimmliche Qualitäten in "Unrequited Love" unter Beweis, einer Ballade ganz im Namen des Folk. Zu stark reduzierter Instrumentierung und mehrstimmiger Chorbegleitung singt Li über eine unglückliche Liebe und klopft dazu leise auf ihre Schenkel. "Großartige Songs sollten nur mit Handclaps und Gesang gespielt werden können.", sagte sie einmal. "Get Some" liefert das Kontrastprogramm: ein selbstbewusster Popsong mit knackigem Beat, der sofort in alle Gliedmaßen fährt : "I'm your prostitute / Come and get some."
Orgel. Trommelwirbel. Die Orientierung am Psychedelic Rock zeigt sich deutlich in "Rich Kids Blues". Lykke Li kann auch düster und rau. Im Gegensatz dazu singt sie in "Sadness Is A Blessing" mit bonbonsüßer Stimme ein zauberhaftes Lied über die Traurigkeit: "Every night I rant, I plead, I beg him not to go / Will sorrow be the only lover I can call my own?"
Während sich "I Know Places" ganz auf Gesang und akustische Gitarre beschränkt, brennt "Jerome" ein Feuerwerk aus treibenden Voodoo-Drums ab. Bedrohlich und feierlich zugleich macht dann "Silent My Song" den Abschluss. "And you see pain like it is pleasure / Like a work of art / Well I'm your painting, I'm your treasure / Purest of them all." Nur noch Chor. Lykke Lis Stimme. Zufriedenheit.
"Wounded Rhymes" wirkt alles andere als jugendlich-zerbrechlich. Unerfüllte Liebe, Trauer, Schmerz. Alles klingt weniger lieblich als auf "Youth Novels", stattdessen tönt aus den neuen Songs Bodenständigkeit und Düsternis. Skandinavische Mentalität, könnte man meinen. Oder verdankt die Schwedin ihrem bewegten Leben einfach eine ungewöhnliche Reife? Fest steht: Dieses neue Gewand steht Lykke Li verdammt gut.
11 Kommentare
Hab den Trubel um Youth novels nur bedingt nachvollziehen können. Aber dieses Album läuft und läuft und läuft und läuft auf Dauerrotation. Für meinen Geschmack stellt das erste Quartal 2011 schon das gesamte Jahr 2010 weit in den Schatten.
Für mich das bisher beste Album des Jahres 2011. Hat alle meine Erwartungen übertroffen.
wenn die noch singen könnte...
Bin überrascht und überwältigt von Lykke Li. Sehr starkes zweites Album (die sind ja bekanntlich nicht die einfachsten). Ihre Songs mit rums sind genauso toll wie die ruhigen. Die Schweden haben das irgendwie raus mit der Popmusik.
Geiles Album!
Ihr Debüt mochte ich nie besonders, doch mit "Wounded Rhymes" hat sie dann ein grandioses Album veröffentlicht. "I Never Learn" ist wieder deutlich ruhiger, aber nicht minder großartig ausgefallen.