laut.de-Kritik
Madness ruhen in sich selbst.
Review von Olaf SchmidtMadness ruhen in sich selbst. Im Gegensatz zu anderen Ex-Popstars von anno dazumal liefert die englische Band in schöner Regelmäßigkeit unpeinliche Alterswerke ab, die sich nicht anfühlen, als müsste man irgendwie die nächste Tour legitimieren. "Can't Touch Us Now" macht da keine Ausnahme und fügt dem Katalog der fröhlichen Londoner sogar den einen oder anderen Kracher hinzu.
Los geht es mit dem langsam anschleichenden Titelsong, der sich bald in eine entspannte Popnummer mit jazzigen Saxofon-Passagen verwandelt. "And our lords can have tomorrow", intoniert Sänger Graham McPherson und deutet an: Uns gehört das Hier und Jetzt, wir machen, was wir wollen. Im nächsten Song fragt die Band, wo denn die guten Zeiten abgelieben seien - dabei stehen sie direkt vor der Tür. Denn "Mr. Apples" ist ein echter Hit und einer der besten Songs, den Madness seit langer Zeit aufgenommen haben. Getrieben von Mike Barsons schönem Klavier erinnert er an bandeigene Klassiker wie "Tomorrow's Just Another Day". Inhaltlich setzt es die gewohnten Hiebe gegen verstockte Heuchler aus dem konservativen Milieu. Ein Thema, das sich bei Madness durchzieht.
Der Sechser aus Camden Town vergisst dabei nie seine Wurzeln. Pop hier, Chöre und Geigen da - im Kern sind die mittelalten Herren immer noch die Ska-Band, als die sie angefangen haben und lassen das gekonnt durchscheinen. "I Believe" stellt die Glaubensfrage im gediegenen Offbeat-Rhythmus, die Antwort scheint deutlich: "You can drift along on your own cloud / And I can take care of my own self." "Grandslam" legt noch einen drauf. Wer nach Ska sucht, wird hier zusammen mit "Mumbo Jumbo" am ehesten fündig. Inklusive Tschiggitschick.
"Blackbird" handelt von einer zufälligen Begegnung McPhersons mit Amy Winehouse, einige Tage vor ihrem Tod. "Alright, nutty boy", habe sie zu ihm im Vorbeigehen gesagt. Mit diesem Hintergrundwissen wirkt das Stück trauriger, als es eigentlich ist. In der Mitte des Albums angekommen, bleiben Madness erstmal in merkwürdiger Stimmung und kredenzen "You Are Everything", ein Stück mit eigenwilliger Atmosphäre, getragen von Streichern. So seltsam-melancholisch kann ein Liebeslied klingen. Die Band spricht vom Versuch, eine Soul-Nummer zu schreiben.
Bei "Mumbo Jumbo" darf Saxofonist Lee Thompson, einer der Hauptsongschreiber, ans Mikro. Kein sonderlich originelles Thema, aber ein Lied über Politikversprechen geht immer. Zumal, wenn auf ausgefallenere Instrumente wie Maultrommeln und Banjos zurückgegriffen wird. "Herbert" im Anschluss kann mit Mark Bedfords Kontrabass punkten - und zum Schluss raus mit mehrschichtigem Gebläse. Überhaupt dominieren die Bläser größere Teile der Platte und geben ihr ein erdiges Feeling. Den gezupften Standbass packt Bedford dann auch noch mal im ruhigen "Pam The Hawk" aus, übrigens kein Song über einen Habicht, sondern eine stadtbekannte Bettlerin in Soho.
Der große Hit der zweiten Albenhälfte hört auf den Namen "Don't Leave The Past Behind You". Solche Refrains müssen dir nach fünfunddreißig Jahren Karriere erstmal einfallen. Ebenfalls sehr erwähnenswert: "Given The Opportunity" fährt noch mal alles auf, was an Geigen rumlag und kombiniert sie erneut mit einem Ska-Rhythmus und einer melancholischen Melodie.
Madness lassen auf ihrem elften Studioalbum nichts anbrennen und präsentieren eine ausgewogene Songmischung, mit allen Zutaten, die man von der Band erwartet. So kann es gerne noch ein paar Jahrzehnte weitergehen. Für das nächste Album wünscht man sich lediglich eine etwas knackigere Produktion, da besteht deutlich Raum nach oben.
1 Kommentar mit einer Antwort
Madness ist großartig, nur ist mir das Album zu poppig und zu wenig Ska. Schade.
Der Ska-Anteil bei Madness war eigentlich schon immer sehr gering...