laut.de-Kritik
Eine Reise durch die sakral aufgeladene Atmosphäre des Phantasie-Planeten.
Review von Benjamin FuchsWährend sich normale Bands für ihre Live-Alben mit Konzerten in großen Städten begnügen, es exotischstenfalls im Tokioter Budokan aufnehmen, verlegen andere ihre Show gleich auf einen anderen Planeten. Madrugada sind nicht normal. Ihr Planet heißt Tralfamadore, benannt nach dem Phantasie-Planeten in Kurt Vonneguts frühen Büchern. Extravagant.
Wie wohl die Akustikverhältnisse zwischen zwei Buchdeckeln sein mögen, schießt es durch den Kopf. Schließlich taugt der Platz in ausgehöhlter Form mehr als Versteck für Drogen, Feilen oder Alkohol denn als Resonanzkörper.
Sivert Høyem und seine Mitstreiter haben in Wirklichkeit natürlich nicht vor Phantasiegeschöpfen gespielt, sondern vor richtigen Menschen bei Gigs in Oslo, Brüssel, dem Øya Festival und Bodø, einer kleinen Stadt in Nordland. Dennoch ein schöner Gedanke. Vom Sound her könnte es tatsächlich an einem Abend aufgenommen worden sein, es machen sich keine Sprünge oder große Unterschiede in der Atmosphäre bemerkbar.
Den Schwerpunkt bildet erwartungsgemäß das jüngste und sehr gelungene Album "The Deep End". Vor allem bei älteren Songs brechen die Norweger auch mal aus der Enge der vorgegebenen Strukturen und Tempi aus. "Strange Colour Blue" vom Debütalbum "Industrial Silence" nimmt uns mit auf eine ausufernde innere Reise, aufreizend langsam, zauberhaft.
Auch Fremdkompositionen bauen die selbsternannten Trafalmadorians in die Show ein. "Mother Of Earth" aus den frühen Gun Club-Tagen machen sie sich ebenso zu eigen, wie das berühmte Spiritual "Sometimes I Feel Like A Motherless Child". Nicht der einzige Moment mit beinahe sakral aufgeladener Atmosphäre. Madrugada-Konzerte haben eben etwas kultisches.
Die Zugabe in Form einer Bonus-Scheibe lockt mit noch einmal drei Songs von insgesamt 21 Minuten Länge, darunter auch das großartige "Black Mambo" als intensives Soundspektakel namens "Terror Mix". Schade ist, dass auf diesem Live-Album Songs wie "The Lost Gospel" oder das schwer rockende "Ramona" fehlen. Insgesamt wünscht man sich mehr Songs, auch von den anderen Alben. Dennoch: Fast 90 Minuten Musik sind im Prinzip ein fairer Deal, für ein Konzert ebenso wie für eine CD.
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