laut.de-Kritik

Ganz großes und unpeinliches Rock-Pathos.

Review von

Die Melodic Rock Pioniere Clarkin und Catley sind mit der gefühlt 100. Scheibe im Gepäck zurück. Während man noch mit der Schulter zuckt und von den beiden Meistern der Verlässlichkeit nicht viel mehr als ein Routinealbum erwartet, servieren Magnum fast 30 Jahre nach dem Meilenstein "On A Storyteller's Night" eine von A bis Z ebenbürtige Platte ab. "Escape From The Shadow Garden" macht seinem Namen alle Ehre und gehört lässig zum Besten, was sie je ablieferten.

Tony Clarkins Produktionstalent reift nicht erst seit gestern. Doch mit dieser "Flucht Aus Dem Schattengarten" setzt er noch einen drauf. Bestens geeignet im keimenden Frühling noch das letzte Bisschen Dunkel aus den wintrigen Knochen zu schütteln. Alles ist perfekt ausbalanciert und voluminös in Szene gesetzt, definitiv eine Kopfhörer-CD. Selbstredend bleibt alles Rock pur, der es keine Sekunde nötig hat, sich als Hardrock aufzubrezeln oder gar dem Metal anzubiedern.

Stattdessen gibt es eine Vielzahl variabel und songdienlich eingesetzter instrumenteller Effekte. Meist über den hervorragenden Keyboardsound Mark Stanways transportiert. Streicher, deren Skala von schmachtend bis rhythmisch reicht oder verschiedene Pianosounds sind zwei das Gesamtbild rundende Eckpfeiler (Anspieltipp: das epische "Wisdom Had Its Day").

Dazu die tolle Arbeit von Harry James an den Drums. Trommeln, die genau wissen, wann es auf den rechten Wumms ankommt ("Crying In The Rain") und wann sie als nuancierter Taktgeber eher unauffällig zu agieren haben. Auch Clarkins Gitarren klangen als tragende Rolle selten so variantenreich und inspiriert. Egal ob Rhythmusaxt ("Too Many Clowns"), Transporteur melodischer Soli oder schmückendes Akustikgezupfe ("Midnight Angel"): Sie bringen die Natur jedes einzelnen Liedes perfekt auf den Punkt.

Und über all diesen Elementen eines klingenden Teppichs thront diese über jeden Zweifel erhabene Stimme. Bob Catleys leicht angerauhtes Organ ist längst Teil des Rockolymps großer Vocals à la Russ Ballard, Glenn Hughes, Blue Öyster Cult oder Journey. Ein echter Leadsänger ganz alter Schule, der es fertig bringt, die schönen Lieder wie ein Feldherr an zu führen, ohne außer Acht zu lassen, dass er die ihn umspülenden Instrumente nicht dominieren darf, ohne mit ihnen eins zu werden.

Die Tracks selbst halten allesamt ein durchgängig hohes Niveau. Endlich darf man über Magnum wieder in großer Freude ausrufen: All rocking Killer, no fucking Filler, Baby! Los geht es mit "Live 'Til You Die", einem sechseinhalb minütigen Klopper, dessen besonderes Schmankerl - die von Beginn an hervorragend eingesetzten Streicher - man nicht überhören sollte. "Unwritten Sacrifice"/"Burning River"/ "Falling With The Big Plan" locken wenig später als Archetypen ihrer Qualitäten: Eine große Harmonie in der Strophe, die sie im Chorus melodisch sogar noch toppen.

Letzteres Lied garniert mit kurzem aber schmeichelnden Pianopart. Eine ihrer größten Stärken: Die Fähigkeit, ganz und gar unpeinliches Rockpathos abzufeiern. Neben "Wisdom Had Its Day" ist etwa das herrlich hymnische "Midnight Angel" einer jener seltenen Momente im Genre, die zur echten Blaupause taugen. Allein schon das kleine Intermezzo mit Akustischer und sachte eingetupftem Piano ist als Detail unschlagbar.

Mit der hinreißenden Ballade "Valley Of Tears" wachsen Magnum zum Ende vollends über sich hinaus. Sie spannen den ganz großen Melodiebogen samt elegant kulminierendem Pianothema. Danach ist Schluss, und die nicht mehr ganz taufrischen englischen Löwen haben eindrucksvoll bewiesen: Das Jagen nach dem perfekten Rocksong haben sie längst nicht verlernt.

Trackliste

  1. 1. Live 'Til You Die
  2. 2. Unwritten Sacrifice
  3. 3. Falling For The Big Plan
  4. 4. Crying In The Rain
  5. 5. Too Many Clowns
  6. 6. Midnight Angel
  7. 7. The Art Of Compromise
  8. 8. Don't Fall Asleep
  9. 9. Wisdom's Had Its Day
  10. 10. Burning River
  11. 11. The Valley Of Tears

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1 Kommentar

  • Vor 10 Jahren

    Was die Stimme angeht: Auf The Visitation hatte ich teilweise den Eindruck, dass Catley ziemlich am Ende ist. Brüchige Silben, kaum noch Energie - was ja bei seinem Alter auch kein Wunder ist.

    Bei Magnum hat man eh etwas Angst, dass die entweder im Studio oder auf der Bühne sterben. :D