laut.de-Kritik

Zäh und verwelkt: Diese Stimme ist unkaputtbar.

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Ja, da dürften sogar Within Temptation und Lacuna Coil noch mal richtig Probleme kriegen, ein hässlicheres Albumcover zu fabrizieren als es nun ausgerechnet von Marianne Faithfull in die Regale wandert. Seit Jahren auf der musikalisch und ästhetisch richtigen Seite, fällt die Grand Dame der 60er Jahre nun optisch in ungeahnte Fantasy-Untiefen, was sich zum Glück nicht auf das Kompositionsgeschick ihrer neuen Platte ausgewirkt hat.

Dennoch mangelt es "Horses And High Heels" insgesamt etwas an der brillanten Stringenz der beiden Vorgänger, auch wenn ihr 23. Studioalbum noch immer von dieser typischen, verwelkten Faithfull-Faszination lebt, die seit über zehn Jahren ihre späte Karriere am Laufen hält. Längst ist die 64-Jährige in ihre Johnny Cash-Phase übergetreten, in der sich ihr schlaue Produzenten und junge Musiker willig an den Hals werfen.

Zur ersteren Kategorie gehört Hal Willner, der Faithfull schon für den Vorgänger "Easy Come, Easy Go" Songs von Duke Ellington bis Morrissey an die Studiowand pinnte und der nun den grandiosen Einfall hatte, sie mit einem Song der Gutter Twins vertraut zu machen.

Das Seitenprojekt von Mark Lanegan und Greg Dulli mündete 2008 in ein einziges Studioalbum, dessen Eröffnungssong "The Stations" hier nun von Lanegans weiblichem Whisky-Äquivalent ähnlich tiefschürfend interpretiert wird.

"Why Did We Have To Part", einer von vier Eigenkompositionen Faithfulls, verarbeitet ihre Trennung vom langjährigen Partner François Ravard, gerät musikalisch jedoch eher blass und weist die Richtung für die wieder stärker im Folkrock verwurzelte Platte.

Im weiteren Verlauf wagt sich Faithfull mit angezogener Handbremse an den durch Dusty Springfield berühmt gewordenen Carole King-Klassiker "Going Back", seufzt sich zur Akustikgitarre durch Elton Johns "Love Song" und integriert im schönen "Eternity" ein Brian Jones-Sample von dessen weitgehend unbekanntem Soloalbum "Brian Jones presents: The Pipes Of Pan At Jajouka" (1971).

Das Hammond-getriebene "Prussian Love" und das nachträglich um Aufnahme aufs Stones-Album "Sticky Fingers" bettelnde "No Reasons" erweitern zwar Faithfulls Soundpalette, stützen aber den Verdacht, dass es vor allem die ruhigen Songs sind, die ihre Stimme richtig zur Geltung bringen.

Nicht so gut funktioniert das im arg kitschigen Refrain von "Back In Baby's Arms", zu dem selbst Lou Reed ein Gitarrensolo beiträgt. Doch spätestens nach dem elegischen "The Old House" (hier mit einem genialen Reed-Solo) und dem Titelsong ist man wieder versöhnt. Vom Leben hörbar gezeichnet kriecht diese einmalige Stimme zäh und unnachgiebig auf dem Gerüst der düsteren Melancholie voran. Möge sie weiterhin niemand aufhalten.

Trackliste

  1. 1. The Stations
  2. 2. Why Did We Have To Part
  3. 3. That's How Every Empire Falls
  4. 4. No Reason
  5. 5. Prussian Blue
  6. 6. Love Song
  7. 7. Gee Baby
  8. 8. Goin Back
  9. 9. Past, Present And Future
  10. 10. Horses And High Heels
  11. 11. Back In Baby's Arms
  12. 12. Eternity
  13. 13. The Old House

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