laut.de-Kritik

Endlich: Die erste Lanegan-Platte, die auch Mama gefällt.

Review von

Ein Coveralbum ist für Mark Lanegan vor allem eine Sache des Herzens. Weil ihm sein Musikeralltag auf den Flughäfen dieser Welt aber lange nicht die Zeit einräumte, die er für solch ein aufwändiges Projekt für nötig befindet, machte er erst nach den Aufnahmen seines 2012er Studioalbums "Blues Funeral" ernst.

Jahrelang schon, angeblich seit den "nicht so ganz gelungenen" Interpretationen auf "I'll Take Care Of You", trägt er den Plan mit sich herum, ein Cover-Album im Stile der 60er und 70er Jahre aufzunehmen, mit orchestral arrangierten Songs, von denen ihm viele noch aus seiner Kindheit vertraut sind. Keine Aufgabe also, die man mal eben zwischen eine eigene Platte und Sessions mit QOTSA und Moby quetscht.

Was sich auf "Blues Funeral" mehr noch als auf seiner jüngsten "Black Pudding"-Kooperation mit Duke Garwood abzeichnete: Der 48-jährige Amerikaner gibt einen Dreck auf Erwartungshaltungen. Nie wurde das so deutlich wie auf "Imitations": Screaming Trees? Stehen hier nirgendwo, stattdessen fallen haufenweise "Autumn Leaves".

Die herbstliche Melancholie und der getragene Ton der Aufnahmen führt dazu, dass "Imitations" die erste Platte im Lanegan-Kanon ist, die man problemlos seiner Mutter zu Weihnachten schenken kann. Die Kunst besteht darin, dass der Amerikaner dafür nicht seine Seele verhökerte.

Vielmehr erinnert das Album in vielerlei Hinsicht an Marianne Faithfulls "Easy Come, Easy Go" von 2008: Zahlreiche gelungene Experimente und stimmungsvolle Atmosphären, veredelt von einer Ausnahmestimme. An welchen Stellen er die Schwelle zum Kitsch überschreitet, ist wie immer Geschmackssache.

Ein Diskussionskandidat ist sicherlich John Cales 70er-Jahre-Pop-Song "I'm Not The Loving Kind", den er praktisch unverändert übernimmt und der sich mit dem vielstimmigen Chor-Refrain zu monumentaler Größe erhebt. So cheesy die Umsetzung für Lanegan-Verhältnisse zunächst klingen mag: Hier zeigt sich sein intuitives Gespür für dasjenige Ausgangsmaterial, das seine Stimme bereichern kann.

Oder wenn er die anmutige Atmosphäre von Nick Caves hochklassiger "Boatman's Call"-Ballade "Brompton Oratory" nicht nur reproduziert, sondern mit einer gebrochenen Trompete sogar noch Gänsehaut-Elemente hinzufügt. Der tolle Akustikgitarren-Auftakt "Flatlands" oder das Country-Duett "She's Gone", im Original von Vern Gosdin, sind für Lanegan Fingerübungen, nach denen wir uns selbige lecken. Da verzeihe ich ihm auch, dass kein Lee Hazlewood-Cover dabei ist.

Was die Klassiker angeht, hätte er sich die tausendste "Mack The Knife"-Version sicher verkneifen können, das ebenso karg instrumentierte "You Only Live Twice" gelingt ihm weitaus besser. Andy Williams' "Solitaire", obendrein mit fünf Minuten das längste Stück, übertreibt es etwas mit Streicher-Opulenz und gedrosseltem Tempo, während "Elégie Funebre" gerne sein letzter Versuch bleiben darf, auf französisch zu rasseln. Man muss ja nicht auch noch in Fremdsprachen glänzen. Dafür nützt er die Vorlage, um im Abschlusssong "Autumn Leaves" die Stimmung eines französischen Claude Chabrol-Dramas einzufangen.

Mark Lanegan ist unbestritten ein Guter; wem diese Vorstellung trotzdem zu zahnlos ausgefallen ist, dürfte beim kommenden Lanegan-Band-Album, das derzeit in Arbeit ist, wieder besser aufgehoben sein.

Trackliste

  1. 1. Flatlands
  2. 2. She's Gone
  3. 3. Deepest Shade
  4. 4. You Only Live Twice
  5. 5. Pretty Colors
  6. 6. Brompton Oratory
  7. 7. Solitaire
  8. 8. Mack The Knife
  9. 9. I'm Not The Loving Kind
  10. 10. Lonely Street
  11. 11. Elégie Funèbre
  12. 12. Autumn Leaves

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