laut.de-Kritik
Ehrlich, laut und mit Dreck unter den Fingernägeln.
Review von Markus KilianErstmals so richtig Krach machten die Marmozets, die sich 2007 noch zu Schulzeiten gründeten, mit ihrem Debüt "The Weird And Wonderful Marmozets" vor vier Jahren. "Knowing What You Know Now" schließt größtenteils nahtlos daran an: Das britische Quintett rund um Rockröhre Becca MacIntyre beschreit, pardon, besingt unter Gitarrengetöse, hastigen Drums und neuerdings Synthie-Beigabe sozialkritische Themen sowie Persönliches und stimmt auch mal ruhigere Töne an. Dass die Geschwister-Band blind interagiert, zeigt die intuitive Fusion von energischen Vocals und rhythmischen Gitarren-Einwürfen.
Schon der programmatische Opener "Play" steckt ab, wohin die musikalische Reise gehen soll: Das konstant unruhige Riff und der steigerungsfreudige Chorus legen sich über den progressiven Trommellärm - Modus: Imperativ. Ernster und sogleich wütender kommt "Habits" daher, das sich erst im reduzierten Refrain als Charaktermelodie enttarnt, wenn Becca im sanfteren Register lediglich über Synthie-Flächen pendelt, nur damit der kraftvoll zupackende Bandeinsatz die verzweifelten Zeilen anschließend als druckvolles Echo paraphrasieren kann.
Über weite Strecken flimmert das Album dann in typisch dahin geschmissener Manier: Die Vocals rutschen von klaren Melodien mit Vergnügen immer wieder in Dissonanzen und Growling-Anleihen, die Gitarren vibrieren über das ungebremste Bassgerüst, der Schlagzeuger ist längst klitschnass, es scheppert und quietscht und knallt, mal chaotisch, mal kontrolliert, dabei zumeist im höheren Drehzahlbereich und ohne Zicken-Allüren.
Und dann gibt es da noch den fast 5-minütigen Tagtraum "Insomnia". Feinwaschprogramm für Trommelfell und Stimmbänder. Gefühlt zwei Akkorde halten die gebügelten Saiteninstrumente zuverlässig in Schach. Der Drummer wischt sich in Ruhe den Schweiß ab. Und das repetitive Hauchen von "I feel better with you" könnte in Sachen Stil und insbesondere Stimmfarbe überraschend leicht von einer Angus & Julia Stone-Platte entliehen sein. Die mystische Nummer im Konjunktiv schafft zwar scharfe Kontrastfronten, wirkt aber stellenweise doch einen Tick zu gewollt. Etwas besser gelingt den Marmozets die Rocker-Ballade mit "Me And You", das trotz dezentem Floskel-Alarm musikalisches Gespür für sensiblere Anliegen beweist.
Irgendwo dazwischen schummelt sich auch mal das extravagante "Like A Battery", worin die kratzigen Gitarrenkräfte taktvoll mit den Pop-Synthies alternieren - und wer spielt da eigentlich das freche Piano Interlude? Ansonsten dröhnt die Scheibe wie gewohnt ungehobelt aus den Speakern, sodass Frontfrau MacIntyre in "Suffocation" (mindestens metaphorisch) schon mal die Luft wegbleibt: "I don't know about you / But I feel suffocated" Ein Zustand, den brachialer Verstärkerdampf im strammen Rock-Ambiente sogleich aufzubrechen versucht. Glück gehabt!
Marmozets liefern mit ihrer zweiten Platte einen überzeugenden Nachfolger, der die Pfade ihres Debüts in routinierter Manier weiter beschreitet und durchaus Mut zum ein oder anderen Ausfallschritt beweist.
2 Kommentare
Ehrlich?"Knowing" trieft so dermaßen nach Charts und glanz-polierter Produktion,dass es schon wehtut.The Weird and Wonderful gefiel mir WESENTLICH besser.Dort klang alles wie aus einem Guss und war nicht überproduziert wie bei "Knowing".
Alles klingt sehr nach glatt gebügelter Chart/Radio-Tauglichkeit.Vorbei sind ihre Jugend-Mathcore-Zeiten.Schade.
Zum Glück klingen die Songs Live dann doch etwas besser und dort können Josh und Becca Macintyre auch wieder zeigen,was sie können.(Wovon man auf "Knowing" leider kaum was von mitbekommt.
Hatte mich extrem auf die neue Scheibe gefreut und wurde leider enttäuscht.
Ich finds ziemlich cool! Um eiiges ausgereifter als die Letzte Scheibe aber immer noch sehr abwechslungsreich.