laut.de-Kritik
Jedes Klischee bedient, jede Erwartung erfüllt.
Review von Dani FrommWir leben in harten Zeiten. Wenn der "Ghettoredakteur" berichtet, was er seiner Hörerschaft als Hauptstadt-Realität weiszumachen versucht, kommt einem problemlos das kalte Gruseln. Da wird ausgeholt und zugeschlagen, durchgeladen und abgedrückt, es fliegen Steine und überhaupt wird lustig in Blut gebadet, dass es nur so vom Bordstein tropft. Der "ungezähmte Taliban" zeigt uns jetzt endlich mal, was Gewalt ist. Darauf habe ich gewartet. Herzlichen Dank.
Ich habe die Reportagen aus der Scheinwelt, die man mäßig- bis unterbelichteten Kids als den Berliner Alltag verkaufen möchte, in einer Weise satt, dass mir kaum noch neue Umschreibungen dafür einfallen. Auch die Mixtur aus Gewaltnummern, einem mehr oder weniger "nachdenklichen" Track, einer Beziehungsgedöns-Schnulze und einer Lobhudelei an die einzige Frau, die im Leben eines Kerls bleibenden Eindruck zu hinterlassen scheint, die "Mama" nämlich, erweist sich als immer die gleiche. Ich langweile mich zu Tode.
Massiv bedient jedes Klischee, erfüllt jede Erwartung. Alles ist böse und finster in Berlin. "Ghettos gibt's in Deutschland nicht nur in der Hauptstadt." Mööp, falsch. Ghettos gibt's in Deutschland so wie hier dargestellt überhaupt nicht. Machen wir uns doch nicht lächerlich. Keine Ahnung, wen Massiv mit seinen "Mit 14 das erste Mal verhaftet, dann Zigaretten geschmuggelt und Drogen vertickt, dann Jugendarrest"-Geschichten zu beeindrucken versucht.
Inhaltlich gestaltet sich "Ein Mann Ein Wort" in etwa so interessant wie sein Titel, der schon nicht originell war, als Roland Koch damit auf Wahlplakaten "brutalst mögliche Aufklärung" versprach. "Der Araber", "Der Löwe" aus "Palestine" (einem Land, das angeblich noch nicht einmal auf der Karte ist. Aha.) bringt "harten Rap direkt aus dem Leichenwagen", nachdem "9mm Breit" das Schicksal zugeschlagen hat. Ehrlich, mir fehlen die Worte.
"Kanacke" stammt also aus dem Lateinischen und bedeutet "Mensch". Mensch, man lernt doch auch mit Latinum im Sack nicht aus. Ich dachte bisher immer, der Begriff sei dem Polynesischen entlehnt... egal. Der "Prototyp Kanacke" wird dem harten und härteren Image, das man ihm bei SonyBMG zugedacht hat, vollends gerecht: "Ich bin der von Spiegel TV." Alles klar. Für die Karriere wird dann die Liebe des Lebens in den Wind geschossen: "Es Tut Mir Leid". Nun, davon wird sich betreffende Lady viel kaufen können.
Die Einzige, die bleiben darf, ist "Mama". So wie jedermanns Brut einzigartig, weltbewegend und überhaupt das schönste Baby der Welt ist, so ist die jeweilige Mutter die Beste. Alles Fotzen außer Mutti. Wenn das auch hundertmal der Wahrheit entspricht, so ist seit 2Pacs "Dear Mama" zu diesem Thema doch alles Notwendige hinreichend gesagt. So absehbar, so öde.
'Komisch', dass Massiv mir an den wenigen Stellen, an denen er das Ghettogepose im Schrank lässt, am glaubwürdigsten erscheint. Wenn er sich in "Ich Bin Kein Berliner" zum Pfälzer-aus-Pirmasens-Sein bekennt, in "Weißt Du Wie Es Ist" einzelne Beobachtungen aneinanderreiht oder sich in "Ende Der Zeit" um einen alten Mann oder Behinderte sorgt, tönt das echt. Sogar das kirchentagstaugliche "Wir Sind Alle Gleich" ("Ich helf' der Oma aus dem Bus raus!") nehme ich Massiv eher ab als ein "Ich war der Überkriminelle".
"Nach dem Track wisst ihr alle, wer der Gangster ist", heißt es in "Es Gibt Nichts Was Zu Regeln Ist". Ich habe eher den Eindruck eines freundlichen, etwas hilflosen jungen Mannes, der als Gruppenleiter in einem Pfadfinderlager oder als Pfleger in einem Altenheim bestens aufgehoben wäre. Statt dessen hat man Massiv, wohl seiner imposanten Erscheinung wegen, in das Faschingskostüm eines Großstadtkriminellen gesteckt. Die Maskerade sitzt miserabel.
"Mir fällt es schwer, für die Presse seriös zu sein." Keine Ahnung, wie das die Kollegen sehen: Mich hätte weniger Fassade, dafür mehr Authentizität vermutlich deutlich nachhaltiger beeindruckt. "Glaub' an das, was du bist!" Wie soll ich, wenn mir alles viel zu gewollt, konstruiert und aufgeblasen erscheint? "Kuck, wie ich die Redakteure an die Wände tacker!" Autsch. Ja, auf diese Tour kann man natürlich auch fesseln.
Im Vergleich zu seinem Erstling hat Massiv, "der atomare Rapper, der das Blut aus Büffelnhörnern trinkt", was seinen Flow betrifft, ein wenig zugelegt. In gleicher Weise ging ihm jedoch das Einzige, das seine trüben Inhalte, seine höhepunktlose Performance und seine grottigen Reime wenigstens ab und an hörenswert machte, weitgehend verloren: Die Stellen, an denen Massivs Stimme wie im Wahnsinn überdreht und kippt, lassen sich diesmal leider an einer Hand abzählen.
Sehr schade, das hatte mir gefallen. Statt dessen wird "Madame Tussaud" auf "Styropor", "verprügelt" auf "verprügelt" und "gelähmt" auf "querschnittsgelähmt" gereimt. Im Verbund mit allerlei grammatikalischen Würgern eine echte Zumutung.
Untadelig, das stand zu erwarten, gerät dagegen die musikalische Basis. Synthetische Klänge aus Shukos Schmiede lösen Desues satte, düstere Bässe zum Einstieg ab. Mächtig grollt es in "Ein Mann Ein Wort". Hier wie im donnernden "2 Redakteure" geht das Lob, ebenso wie für den orientalischen Einschlag in "Ich Bin Kein Berliner", an Brisk Fingaz.
Ob jaulende Streicher in "Mama", ob zwingendes Piano-Intro in "Wir Sind Kanacken": Das Fach Dramatik haben alle beteiligten Herren mit Erfolg belegt. Auch Worocs Synthies in "Zur Erinnerung" oder M3 & Noyds Kombination aus vollen Bässen und süßlichen Melodien, die "Es Tut Mir Leid" unterstreicht, sind alles andere als von schlechten Eltern.
"Ich prophezeie, dass ich ohne Majors alles bring'." Ich prophezeie, dass das völliger Quatsch ist. Ohne umfangreiche Werbekampagnen, die Massiv als den neuen Straßenrapmessias vermarkten, und solide finanzielle Rückendeckung, die den Einkauf derart prächtiger Beats bestimmt nicht erschwert hat, bliebe "Ein Mann Ein Wort" ein Nischenthema für Masochisten.
1724 Kommentare
Man müsste lügen, wenn man Massiv auf seinem zweiten Album keine Weiterentwicklung attestieren würde. War "Blut gegen Blut" noch eine Wanderung in dunkelsten Tälern, so gesellen sich auf "Ein Mann, ein Wort" vereinzelte Lichtschimmer zu den finstersten Abgründen in der deutschen HipHop-Geschichte. Zum einen haben sämtliche Beatbauer solide Arbeit geleistet und mit den Soundteppichen zu "Zwei Redakteure" und "Zur Erinnerung" bekam Massiv zwei wahrhafte Knaller zugeschnitten. Zu dieser guten instrumentalen Basis gesellen sich vereinzelt anziehende Vorträge auf Tracks wie "Mami", "Palestine" und "Der die Träume bewahrt".
Allerdings wäre es fahrlässig zu verschweigen, dass Massiv auch auf diesem Album mit abenteuerlichen Satzkonstruktionen, Vergleichen und Behauptungen des öfteren Ratlosigkeit auf das Gesicht des Reviewers zaubert, wenn er sich zum Beispiel mit dem Attentat auf das World Trade Center oder dem Hurricane Kathrina vergleicht. Spötter mögen behaupten, dass er mit dieser Einschätzung nicht einmal so falsch liegt, da es sich auch bei seinem zweiten Album um eine mittlere bis schwere Katastrophe in künstlerischer, aber auch finanzieller Hinsicht handelt. Wenigstens liefert er auf "Wir sind Kanacken" - neben fehlender Qualität - den Grund, weshalb auch "Ein Mann, ein Wort" zum Ladenhüter werden wird.
Wertung: 1/10
Quelle (http://herrmerkt.blogspot.com/2008/02/mass…)
Keine anderen Hobbies?
@Herr Merkt (« Man müsste lügen, wenn man Massiv auf seinem zweiten Album keine Weiterentwicklung attestieren würde. War "Blut gegen Blut" noch eine Wanderung in dunkelsten Tälern, so gesellen sich auf "Ein Mann, ein Wort" vereinzelte Lichtschimmer zu den finstersten Abgründen in der deutschen HipHop-Geschichte. Zum einen haben sämtliche Beatbauer solide Arbeit geleistet und mit den Soundteppichen zu "Zwei Redakteure" und "Zur Erinnerung" bekam Massiv zwei wahrhafte Knaller zugeschnitten. Zu dieser guten instrumentalen Basis gesellen sich vereinzelt anziehende Vorträge auf Tracks wie "Mami", "Palestine" und "Der die Träume bewahrt".
Allerdings wäre es fahrlässig zu verschweigen, dass Massiv auch auf diesem Album mit abenteuerlichen Satzkonstruktionen, Vergleichen und Behauptungen des öfteren Ratlosigkeit auf das Gesicht des Reviewers zaubert, wenn er sich zum Beispiel mit dem Attentat auf das World Trade Center oder dem Hurricane Kathrina vergleicht. Spötter mögen behaupten, dass er mit dieser Einschätzung nicht einmal so falsch liegt, da es sich auch bei seinem zweiten Album um eine mittlere bis schwere Katastrophe in künstlerischer, aber auch finanzieller Hinsicht handelt. Wenigstens liefert er auf "Wir sind Kanacken" - neben fehlender Qualität - den Grund, weshalb auch "Ein Mann, ein Wort" zum Ladenhüter werden wird.
Wertung: 1/10
Quelle (http://herrmerkt.blogspot.com/2008/02/mass…) »):
Gute Review, gefällt mir
Her Merkt hat Ahnung!
Meine Props, auch wenn ich die Fler und DD Review nicht so gut find.
Also zu hoch bewertet.
Bäääm, Glaskiefer und so.
@Maddinsche (« @Sodhahn (« @Scarface-ahf (« Macht nicht grade irgendne Suppentheke auf, die du ausrauben kannst?
»):
suppentheke? is das der ort, wo man dich wieder weggeschickt hat, weil deine brust für die hühnersuppe zu knorpelig war? »):
Ich würde an dieser Stelle fast einen Hoden verwetten, dass Sodhahns Brust für ne ganze Monatsration reichen würde. »):
für familien die normale portionen gewöhnt sind sicherlich nicht. für deine bagage reichts höchstwahrscheinlich sogar länger
Irgendwas muss man ja draufhaben. Wenns auch nur auf den Rippen ist.