laut.de-Kritik
Der Amerikaner bleibt im Fahrwasser seiner Hauptband.
Review von Ben SchiwekNachdem Matt Berninger im Jahr 2020 sein erstes Soloalbum "Serpentine Prison" veröffentlichte, wusste er nicht so recht, wie es weitergehen sollte. Er nennt es rückblickend "eine lange Phase der Schreibblockade und des Selbstekels. Ich hatte es einfach satt, mich zu fragen: Warum bin ich so?" Berninger begab sich auf die Suche nach seiner persönlichen und künstlerischen Identität.
Metaphorisch gesehen sank er unter Wasser, ertrank fast kurz, fand dann aber ein Bild dessen, wer er ist und was ihn im Leben glücklich machen sollte. Zwar ein verschwommenes Bild, aber immerhin. Die vollkommene Gewissheit wird man nie haben. Darum rät der 54-Jährige nun, das Abtauchen nicht zu scheuen, denn Orientierungslosigkeit berge Potenzial für Weiterentwicklung: "In times of tears, get sunk."
Erfindet sich Berninger auf "Get Sunk" musikalisch neu? Nicht wirklich. Das Album ist erneut gespickt mit Chamber-Pop und einer ruhigeren Version des Indie-Rocks seiner Hauptband The National. Klavierakkorde und Akustik-Gitarren sind das Fundament für seine ruhige Stimme. Meistens legen sich darüber dann mehrere Schichten atmosphärischer Texturen aus Synths, Bläsern und E-Gitarren. Gerade der Opener "Inland Ocean" spiegelt mit seinem schwebenden Vibe das Unter-Wasser-Thema des Albums gut wider. Dazu singt Berninger: "Flew to Indiana to see a friend / She was already dust by then."
Gut texten kann er immer noch. In "Bonnet Of Pins" etwa beschreibt er die Erinnerung an Charakterdetails einer Person und die Dynamik zwischen zwei Menschen mit einem sehr treffenden Auge. In "Nowhere Special" singt er nicht, sondern liest seine Poesie in schnellem Tempo herunter. Durch das Wiederaufgreifen von Motiven aus dem Studiogerede am Anfang wirkt das Ganze gekonnt improvisiert, als habe er sich etwas casual von der Seele reden müssen. "I'll slur my city words into the mind grinder microphone", murmelt er, während die Dramatik des Instrumentals zunimmt.
Sowohl bei den dramatischen Passagen, als auch bei den ruhig-nachdenklichen gibt es Licht und Schatten. So besitzt "Bonnet Of Pins" einen der schönsten, lauten Höhepunkte des Albums. Auf der melancholischen Seite sind "Frozen Oranges" und "Breaking Into Acting" gute Beispiele für eine mitreißende Atmosphäre. Aber es finden sich auch zähe Lieder, bei denen trotz objektiv schöner Sounds emotional wenig rüberkommt.
Dafür bleiben die Akkordfolgen und Melodien zu vorhersehbar und Berninger als Sänger zu undynamisch. Vor allem in der zweiten Hälfte des Albums droht hier und da Langeweile. "Silver Jeep" gibt uns kurz vor knapp nochmal einen schönen Slowdance-Moment, der auch von Japanese Breakfast stammen könnte. Ronboys Gesangsfeature führt dabei vor Augen, dass neben Berninger auf Albumlänge eine andere Stimme durchaus willkommen ist.
1 Kommentar mit einer Antwort
Ich finde die Review ganz treffend, wäre aber fast noch ein wenig kritischer, was die Lyrics angeht. Das ist jetzt kein Murks, aber wenn man es mit den Sprachspielereien, dem Humor und der Ironie seiner Hauptband bis 2019 vergleicht, fehlt den Texten schon einiges. Statt televion versions of a person with a broken heart gibt es hakt denselben introspektiven Brei, den einem jeder durchttherapierte Künstler aufs Brot schmiert.
Wegen der Stimme hört man es dann am ENde aber trotzdem gern.
Auf der Haben-Seite würde ich schon konstatieren, dass es hier lyrisch wieder bergauf geht. Das sind mit die stärksten Lyrics seit SWB.