laut.de-Kritik
Stillstand im Netz der Positionen.
Review von Matthias MantheFlorian Zwietnig und Gerald Mandl schätzen Widersprüchlichkeiten. "Ist es die Möglichkeit der Freiheit, auch ein Teil zu sein?", fragten die deutsch-österreichischen Technopunkrocker schon 2004 auf "Die Ganze Kraft Einer Kultur". Wie glaubhaft kann Medien- und Konsumkritik sein, wenn auch der Adressant kapitalistischer Verwertungslogik unterliegt? Sehr glaubhaft, antwortete die Mediengruppe gleich selbst - Ehrlichkeit und Selbstreflektion vorausgesetzt.
Wer nämlich aus der Systemzugehörigkeit keinen Hehl macht, aus einer ironischen Metaperspektive gegen Medienhype und Zeitgeistdiktat zu Felde zieht und vor der eigenen Haustür nicht kehrt macht, immunisiert sich in ihren Augen ein Stück weit gegen bestimmte Vorwürfe. Doch relativierenden Aussagen wie "Wir sind keine Politiker" und "Die Funktion des Musikers wird total überbewertet" zum Trotz steckt das Duo nach wie vor tief in der Agitpop-Schublade fest. Obwohl die Musik in ihrem Fall mindestens gleichberechtigt neben der Diskurs-Rhetorik Platz nimmt.
Das soll wohl auch die angestrebte Love Parade-Teilnahme demonstrieren. Raven statt starrem Weltverbessertum, Widersprüche statt Eindeutigkeiten. Mit "Näher Am Menschen" nehmen die Telekommandanten nun die gesponnenen Fäden des Debüts wieder auf. Augenzwinkernd-aufgeregter Rap auf Elephantiasis-Bässen und Kirmes-Fanfaren eröffnet und spielt vom Sellout- ("Majorlabel!") bis zum Plagiatsvorwurf ("die deutschen Beastie Boys!") Scheuklappenträger von vorneherein an die Wand.
"Sprengkörper" gründet irgendwo zwischen Bevery Hills Cop-Thema, Scratch-Competition und Members Of Mayday. Dann entsteht in bester Sequenzer-Tradition Spur auf Spur "Ein Kleiner Widerstand", während die zweistimmigen Punchlines halbgare Rebellion sezieren: "Du willst noch ein Zeichen setzen / Wie ist dir egal / Wenn's sein muss so lang bis einer heult". "Loft Oder Liebe" schwebt kurz darauf in Berlin-Mitte auf rosa Puffwölkchen durch die denglische sinnentleerte Spruchband-Landschaft. Geld, Success und schneller Sex als Götter unserer Zeit.
"Näher Am Menschen", nach einem Wahlkampfslogan der Union benannt, macht jede Menge Spaß. Synthesizer-Eskapaden, Hip Hop, Gitarren und politisierte Parolen finden abermals nahtlos zusammen. Allerdings bleiben bis auf die abschließende Disco-Hymne Neuerungen im Soundbild ebenso Mangelware wie frische inhaltliche Schwerpunkte abseits der im Wortsinn fesselnden Medienkritik-Schublade. Boulevardblätter wegen mangelnder Objektivität anzuprangern, steht anno 2006 eben kaum für überbordende Kreativität.
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