laut.de-Kritik

An dieser Scheibe müssen sich auch Metallica messen lassen.

Review von

1986 war die Welt auch nicht wirklich in Ordnung, aber zumindest stand die Thrash-Szene der Bay Area noch in voller Blüte. Da waren mit Exodus, Slayer, Vio-Lence oder Lääz Rockit vielversprechende Bands am Start. Metallica hatten sich bereits mit Slayer an die Spitze gesetzt und stachelten damit den Ehrgeiz eines ehemaligen Mitglieds nur um so mehr an.

Die Rede ist natürlich von Dave Mustaine, der drei Jahre zuvor bei Metallica rausgeflogen war und 1985 bereits "Killing Is My Business ... And Business Is Good" abgeliefert hatte. Mit der gleichen Mannschaft - bestehend aus seinem langjährigen Intimus David 'Junior' Ellefson am Bass, Chris Poland an der Gitarre und Gar Samuelson an den Drums - gab es auf dem Vorgänger in Form von "Mechanix" noch den direkten Battle mit Metallica, die den Song als "Four Horsemen" ihrerseits auf "Kill 'Em All" veröffentlicht hatten.

Mit "Peace Sells" war es '86 schließlich an der Zeit, sich endgültig und ein für alle Mal als eigenständige Band zu etablieren. In spieltechnischer Hinsicht hatte man von Metallica eigentlich nichts zu befürchten, und auch mit ihren nur mäßigen Gesangsleistungen schenkten sich James Hetfield und Dave Mustaine kaum etwas. Dennoch haben gerade die ersten Alben der beiden Bands etwas Magisches und seitdem Unerreichtes. "Peace Sells" wird jedenfalls für immer der Meilenstein sein, an dem sich alle Megadeth-Alben messen müssen.

Aber woran genau liegt das? Nun, wie gesagt, in musikalischer Hinsicht mussten Megadeth Metallica nie fürchten. Dave ist und war schon immer ein begnadeter Gitarrist und Songwriter und spielte in Sachen Soli einen Kirk Hammett oder James Hetfield mit Leichtigkeit an die Wand. Doch den Ausschlag geben vor allem Chris Poland und Gar Samuelson, die mit ihrem Spiel eine sehr jazzige Note in den auf den Punkt gespielten Thrash der Band bringen.

Auf der digital remasterten Version, die dieser Tage erscheint, ist aber auch das Bassspiel von Dave Ellefson sehr schön zu hören, das nicht nur den Einstieg in den Opener "Wake Up Dead" markiert, sondern sich den glänzenden Vorlagen seine Mitstreiter perfekt anpasst. Kaum zu glauben, dass die alle dermaßen auf Koks waren, dass sich kaum einer bewegen konnte.

Legt "Wake Up Dead" zunächst noch eher gemächlich los und endet auch fast schon schleppend, lassen Dave und Chris bereits im Mittelteil die Gitarren qualmen, dass es eine wahre Freude ist. In Sachen Geschwindigkeit machen auch "The Conjuring" oder der grenzgeniale Titeltrack keine Ausnahme.

Gerade der Titeltrack bringt einen weiteren Punkt zur Sprache, der zum Ruhm der Scheibe, die '92 mit Platin ausgezeichnet wurde, beiträgt: die Texte! Im Gegensatz zu den oft kryptischen oder gern mal relativ sinnfreien Texten der Kollegen, beweisen die Lyrics von Dave den scharfen Verstand, die zynische Betrachtungsweise und das dem Punk nahe Rebellentum des Rotschopfs.

"What do you mean I don't pray to god? I talk to him every day" war damals wohl noch sarkastisch gemeint, ist heute vermutlich Realität. Aber egal ob mit Gott, Satan, der verstorben Großmutter oder Ronald Reagan - Mustaine spricht vor allem eines und zwar der damaligen Generation aus der Seele.

Mit wem er allerdings nicht sprach, waren Metallica und vor allem Lars Ulrich. Das hat sich mittlerweile geändert, und so gibt es auf der neuen Version von "Peace Sells" auch ausführliche Linernotes des Metallica-Drummers. Ob die wichtiger sind als die Texte der Scheibe, sei mal dahin gestellt.

Während Exodus, Slayer und viele andere Bands aus der Bay-Area auf Balladen oder akustische Klänge weitgehend verzichten, sind sich Megadeth mit "Good Mourning", dem bärenstarken Intro zum nicht weniger starken "Black Friday", aber auch in diversen anderen Nummern dafür nicht zu schade. Auch jazzige, ja fast fusionartige Elemente werden hier verarbeitet.

Den Abschuss bringen sie jedoch mit "I Ain't Superstitious", einer Coverversion des Willie Dixon-Songs, die wohl von kaum einer anderen Band zu der Zeit und in der Art möglich gewesen wäre. Allerdings ist nach knapp 35 Minuten der ganze Spaß schon rum, was tatsächlich das einzige Manko der Scheibe ausmacht.

Um das auszugleichen, gibt es nun in der Special Edition noch eine weitere Scheibe mit bislang unveröffentlichtem Livematerial einer Show in Cleveland von 1987. Soundtechnisch ist das Ganze eher spärlich, aber nicht ganz uninteressant. Allerdings gibt es für die fanatischen Sammelfans noch eine weitere Version des Albums zu kaufen. Nämlich eine Deluxe-Box mit fettem Inhalt. Darin gibt es mit vier CDs, einer Audio-DVD und 3 Vinyl-LPs plus reichhaltigem Begleitmaterial die Vollbedienung.

In der Rubrik "Meilensteine" stellen wir Albumklassiker vor, die die Musikgeschichte oder zumindest unser Leben nachhaltig verändert haben. Unabhängig von Genre-Zuordnungen soll es sich um Platten handeln, die jeder Musikfan gehört haben muss.

Trackliste

  1. 1. Wake Up Dead
  2. 2. The Conjuring
  3. 3. Peace Sells
  4. 4. Devils Island
  5. 5. Good Mourning / Black Friday
  6. 6. Bad Omen
  7. 7. I Ain't Superstitious
  8. 8. My Last Words
  9. 9. Intro
  10. 10. Wake Up Dead
  11. 11. The Conjuring
  12. 12. Bad Omen
  13. 13. Rattlehead
  14. 14. Killing Is My Business...And Business Is Good!
  15. 15. Looking Down The Cross
  16. 16. My Last Words
  17. 17. Peace Sells
  18. 18. These Boots Are Made For Walkin'
  19. 19. Devils Island
  20. 20. Last Rites/Loved To Deth
  21. 21. Mechanix

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28 Kommentare mit einer Antwort

  • Vor 13 Jahren

    Megadeth in die Meilensteine aufzunehmen ist in Ordnung, aber dann doch eher mit "Rust in Peace" anstatt "Peace sells..." denn, bei der 90er Scheibe zeigt sich Daves ganzes können auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Auch wenn die 86er Platte schön dudelt, mag das heute keiner mehr hören, dafür ist die RIP-Scheibe zeitlos und läßt sich auch heute noch ohne Fremdschämen hören. Von den sozialkritischen und immer noch aktuellen Themen (wie z.B. Atomkraft) ganz zu schweigen!
    PS: Das die "Peace sells ..." Platte 92 noch Platin erreicht liegt auch wohl eher daran das es im Fahrtwind der RIP Scheibe nochmal ein paar Restkäufer fand. Zu der Zeit hatte dann die RIP Platte auch Platinstatus schon längst überschritten.
    Farzit für das Meilenstein: tausche Peace gegen Rust!

  • Vor 13 Jahren

    ist die neue version denn jetzt identisch mit der remastered von 2004 oder wurde da noch mal neu remastered?

  • Vor 3 Jahren

    Ja, nach wie vor geile Platte, auch hart gesuchtet damals.