laut.de-Kritik

Mehr Rapstar als Popstar.

Review von

Megan Thee Stallion hat einen seltsamen Aufstieg zum Ruhm erlebt: Nach ihrem Signing bei 300 Entertainment und dem darauffolgenden Megahype um ihre zahlreichen heißen Singles und ihr "WAP"-Feature erlangte sie eine kulturelle Relevanz, für die sie noch nicht das künstlerische Wachstum aufbrachte. Sie war eine Hammer-Rapperin von Tag eins, klar, aber inzwischen wird sie für Disney-Remixes bei den Oscars angeheuert, obwohl man argumentieren kann, dass sie noch kein richtig solides Album gemacht hat. "Traumazine" zeigt, was gefehlt hat: Sie kehrt unausgegorenen Label-Experimenten den Rücken und wendet sich klanglich mehr ihrer Heimatstadt zu. So bekommt sie nicht nur die besten Beats ihrer Karriere, sondern auch endlich einen Sound, der sich ihrer Skills und ihrer Wut angemessen anfühlt.

Denn der Witz mit ihr war ja: All der Superstar-Rummel, all die breite Öffentlichkeit hat ihr nichts gebracht als Umstände. Es ist nicht so absurd anzunehmen, dass Megan diese Stimme-ihrer-Generation-Pop-Superstar-Rolle selbst überhaupt nicht gefällt. Zumindest scheint es hier stets so, dass sie immer dann komfortabel und gemütlich aufspielt, wenn sie den Pop-Schickschnack mal beiseite lässt und einfach nur auf die Zwölf rappt. Ein erstes Highlight kommt in Form von "Ungrateful", wo sie mit der Hook ins Sperrfeuer geht: "Whole lot of fake-ass, snake-ass, backstabbin', hatin'-ass, no money gettin'-ass bitches".

Man spürt auch die Synergie mit dem Houstoner Stadtgenossen Key Glock, der zwar flowmäßig ein bisschen im Schatten steht, aber Vibe-mäßig eine fantastische Ergänzung bringt und auf Anhieb wie ein eingespieltes Team mit Megan funktioniert. Fühlten sich auf bisherigen Tapes Kollaborationen eh eher wie ein bisschen fehlkalkulierte Label-Experimente, merkt man, dass Megan ihre musikalische Bubble inzwischen viel geschickter einsetzt. Latto auf "Budget" klingt großartig mit ihr, genauso Pooh Shiesty auf "Who Me" und ein Houstoner Local-Trupp auf "Southside Royalty Freestyle". Vor allem funktioniert das, weil die bretternden Südstaaten-Beats pumpen und genau wertig genug klingen, um ihre Heimat zu ehren. Es klingt ruppiger als ein "Good News", aber polierter als "Something For Thee Hotties" - eine goldene Mitte.

Übrigens sollte man gar nicht so weit gehen und daraus schließen, dass Megan eine schlechte Pop-Rapperin sei. Denn neben ihrem Flow bleibt ihre große Stärke als MC die Pop-Affinität, die sie ohne Frage mitbringt. Schon zu ihren Untergrund-Tagen lag ihre große Stärke in eingängigen Rap-Hooks, die hier auch wieder das halbe Tape tragen. Allein der Run von "Ungrateful" über "Not Nice" bis "Budget" schlägt auf einer Wellenlänge mit ihrem "Savage"-Refrain ein.

Diese Unterscheidung zwischen Pop und Pop-Rap wird wesentlich, weil die schwächeren Songs auf "Traumazine" immer dann einsetzen, wenn Megan sich gänzlich ins Bubblegum-Land vorwagt. Ganz vorne dabei steht die leider sehr fehlgeleitete und irgendwie halbgare Dua Lipa-Kollabo "Sweetest Pie", die trotz der beiden großartigen Performerinnen weder Fisch noch Fleisch ist. Der Refrain klingt dünn und ziellos, Megan fühlt sich auf dem erzwungenen Doja Cat-Dr. Luke-Disco-Beat sichtlich unwohl, und schlussendlich bleibt ein Song, bei dem jedes Element darauf zu warten scheint, dass jemand anderes den Karren anschiebt. Ähnliches gilt für die Sexjams "Red Wine" und "Consistency" mit Jhene Aiko oder den leeren Fluff von "Superstar" mit Lucky Daye – das klingt alles zwar solide genug, aber Megan hat hier offensichtlich nicht ihre ganze Passion fließen lassen.

Die gilt nämlich den Songs, in denen sie sich den Arsch abrappt. Und auch die gestaltet sie teilweise durchaus poppig. Zum Beispiel auf der vielleicht besten Single des Albums "Her", auf dem sie sich von der bretternden, tiefbassigen House-Produktion tragen lässt und keinen Ton Gesang braucht, um einen der eingängigsten Songs des Jahres zu schaffen. Aber auch ein Song wie "Plan B" zeigt mit hämischen Realtalk über geradezu BoomBap-lastige Sounds, wo ihre Stärken liegen. "Traumazine" wirkt, als hätte sie endlich gelernt, wie sie mit den Potentialen und Risiken aller Möglichkeiten der Welt effektiv umgehen kann. Es klingt wie das Album, das sie – und nicht ihr Label machen wollte – und dadurch könnte man sagen, ist es ihr erstes mit einem berechtigen Anspruch auf Großartigkeit. Oder um es mit ihren Worten zu sagen: "I walk up in the studio pissed off and lay that shit down". Amen.

Trackliste

  1. 1. NDA
  2. 2. Ungrateful (feat. Key Glock)
  3. 3. Not Nice
  4. 4. Budget (feat. Latto)
  5. 5. Her
  6. 6. Gift & A Curse
  7. 7. Ms. Nasty
  8. 8. Who Me (feat. Pooh Shiesty)
  9. 9. Red Wine
  10. 10. Scary (feat. Rico Nasty)
  11. 11. Anxiety
  12. 12. Flip Flop
  13. 13. Consistency (feat. Jhene Aiko)
  14. 14. Star (feat. Lucky Daye)
  15. 15. Pressurelicious (feat. Future)
  16. 16. Plan B
  17. 17. Southside Royalty Freestyle (feat. Sauce Walka, Big Pokey, Lil Keke & Mike D)
  18. 18. Sweetest Pie (feat. Dua Lipa)

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