laut.de-Kritik
Die Rückkehr der Legende: eine Offenbarung!
Review von Michael EdeleAls ich vor Urzeiten bei laut.de angefangen und irgendwann auch die Bandhistory von Mekong Delta erstellt habe, war ich der festen Überzeugung, so etwas wie einen Nachruf auf eine der innovativsten deutschen Thrash-Bands zu schreiben. 2007 kehrt aber nicht nur die Bundesliga zu Premiere zurück, Ralph Hubert erweckt auch Mekong Delta zu neuem Leben.
"Lurking Fear" nennt sich der Titel von insgesamt zehn Songs, die der Bassist für würdig befunden hat, sie den hungernden Fans zu offenbaren. Und so ziemlich genau das ist es auch geworden - eine Offenbarung. Waren die Kompositionen von Ralph schon immer aberwitzig, extrem, für Normalsterbliche nicht immer nachvollziehbar und ständig auf der dünnen Grenze zwischen Genie und Wahnsinn, macht er auf "Lurking Fear" genau da weiter, wo er mit "Visions Fugitive" aufgehört hat. Das heißt, eigentlich zieht er eher eine Spur durch sämtliche Veröffentlichungen und greift Elemente von "The Music Of Erich Zann" bis "Pictures At An Exhibition" auf.
Vor allem gibt der Mann wieder ordentlich Gas. Schon der Opener "Society In Dissilution" springt dir mit einem fetten Sound ordentlich an den Hals. Dabei fällt schnell auf, dass Sänger Leo Szpigiel stimmlich in der Schnittmenge aus Wolfgang Borgmann und Doug Lee liegt und sich genauso perfekt in das Mekong Delta-Universum integriert wie Drummer Uli Kusch und Gitarrist Peter Lake. Uli, der ja schon mal zu "The Gnome"-Zeiten Teil der Band war, sorgt dabei genauso für Maulsperren wie der bisher eher unbekannte Schwede Lake an der Gitarre. Ich weiß ja nicht, wie Perfektion aussieht, aber das hier muss verdammt nah dran sein.
"Purification" geht es ein wenig ruhiger, aber dennoch nicht weniger komplex an. Wie von Ralph bereits im Interview erwähnte, gibt es im Expressionismus gewisse Strukturen, in deren Rahmen man spielerisch und gesanglich relativ freie Hand hat, was Melodieführung angeht, und so toben sich die vier Herren hier nach Herzenslust aus. Keine Frage, man muss schon genau hinhören, aber dafür gibt es bei jedem Durchlauf mindestens vier neue Sachen, die einem bisher noch nicht aufgefallen sind. "Immortal Hate" rattert gleich wieder im Highspeed-Tempo los und man staunt nur noch, wie deutlich und differenziert jedes Instrument zu hören ist.
Ein wenig erinnert mich der Song an "Innocent" von "Kaleidoscope", das kann aber auch daran liegen, dass ich die Scheiben in letzter Zeit auf Dauerrotation habe. Leo offenbart hier ein paar fast schon eingängige Gesangsmelodien und reagiert perfekt auf die Tempiwechsel seiner Musikerkollegen. Im folgenden "Allegro Furioso" hat er dann Pause und Ralph zeigt, was sich hinter seinem "Five Fragments For Group & Orchestra" verbirgt, das es leider nicht komplett auf die Scheibe geschafft hat. Ständig wechseln sich die Führungsrollen von klassischer Instrumentierung und Gitarre ab, und man weiß gar nicht, was einen jetzt mehr beeindruckt.
Mit einem für die Band eher ungewöhnlichen Groove steigt "Rules Of Corruption" ein, wechselt dann aber in gewohnt vertrackte Strukturen, die meist im Midtempobereich gehalten sind. Für mich eine der düstersten Nummern des Albums, der mit "Ratters" direkt ein erstaunlich straighter Song folgt, der dank dem warmen Gesang von Leo fast schon Aussicht auf Airplay hätte. Da sag noch einer, der Hubert könnte nur von hinten durch die Brust ins Auge ... Doch natürlich gibt es auch hier mehr zu entdecken, als der erst Eindruck erwarten lässt.
Dass der Mann durchaus auch Humor hat, beweist "Moderato" in dem er mal so ganz nebenbei diverse Titelmelodien von diversen Film-Highlights aus den Genres Horror und Action verarbeitet und versteckt. Ein musikalisches Ratespiel mal anders. Im wieder deutlich heftigeren "Defenders Of The Faith" kann man schließend eigentlich nur raten, warum einem die Band das antut? Als normalsterblicher Musiker steht man bei der Nummer vor einem riesigen Berg an Fragen, und wenn Peter fast schon beiläufig ein paar Flamenco-Klänge zwischenrein packt, ist es eh vorbei.
Gefangene gibt es auch bei "Symphony Of Agony" nicht, denn hier fusionieren höchst technische Parts mit teilweise eingängigen Melodien und absoluten Gehirnknoten-Breaks. Vom dem wirklich irrwitzigen Solo will ich hier erst gar nicht reden. Mit dem bereits erwähnten "Allegro" - das sich Ralph bei Schostakowitschs zehnter Symphonie ausgeliehen hat, setzt er den Schlusspunkt unter ein wahrhaft geniales Album.
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