laut.de-Kritik
Keine Sensation, deswegen sehenswert!
Review von Alexander CordasEs ist ganz offensichtlich: Melanie C. gibt sich sehr geerdet. Seit dem Split der Spice Girls spielt sich alles in einem etwas kleineren Rahmen ab. Dass die Protagonistin es bedauert, nicht mehr vor der ganz großen Kulisse zu spielen, darf getrost bezweifelt werden. "Live Hits" bietet in der Hinsicht ausreichend Anschauungsmaterial.
Ort der Darbietungen ist keine Multifunktionsarena sondern ein kleiner Club. Mel muss nicht mehr larger than life sein, um sich musikalisch austoben zu können. Ganz im Gegenteil, sie scheint dem intimeren Rahmen um einiges mehr abgewinnen zu können, schließlich hat man sie während ihrer Spice Girls-Karriere nie auch nur annähernd so gelöst und in sich ruhend erlebt wie in jüngster Zeit.
Zu diesem Eindruck passt das Cover-Bild hervorragend. Welche Diva, die auf Außenwirkung bedacht ist, lässt sich schon mit kleinem Bauchansatz ablichten? Mir ist zumindest - mal abgesehen von Divine (r.i.p.) - keine bekannt. So langweilig der DVD-Titel, so unglamourös im positiven Sinne präsentiert sich Melanie hier. Zwei Sets beinhaltet die Disc: elektrifiziert und abgespeckt akustisch, beide im 5.1-Sound genießbar.
Passend zu dem gerade Erwähnten besteigt Frau Chisholm ohne großen Pathos in Jeans und Trägershirt die Bühne, um mit ihrer bestens aufgelegten und äußerst gut aufeinander eingespielten Begleitband loszulegen. Sie suchte sich keine Typen für ihre Combo, die auf der Nudelsuppe daher geschwommen kamen, vielmehr bestechen ihre Musiker mit absolut professionellem Spiel und vor allem eine, klaren und akzentuierten Background-Gesang.
Melanie C. zum Anfassen. Nein, nicht Begrapschen, das wäre dann doch etwas zu viel des Guten. Ohne Graben vor der Bühne gibt sich das Publikum, dessen Altersspanne von relativ jung bis etwas gesetzter reicht, dem soliden Rock der Dame hin. Dass das Package nicht sonderlich glorios und funkelnd rüberkommt, darf jedoch nicht zur Annahme verleiten lassen, hier würde biedere Hausmannskost auf der Karte stehen. Kamerafahrten und die Bildqualität lassen kaum Wünsche offen. Dem passt sich die Bühnendekoration an, oder vielmehr das Fehlen derselben. Lediglich der Sound der Disc klingt an manchen Ecken etwas bieder und könnte etwas krachiger aus den Boxen wummern.
Neben der Textsicherheit des Auditoriums fällt bei ihrem elektrifizierten Auftritt auf, dass eine im Original ziemlich flache Dance-Nummer wie "I Turn To You" live auf der Bühne funktioniert und die Musiker Raum erhalten, auch einmal selbst ein wenig im Rampenlicht zu stehen. Etwas ausgedehntere Soli und eine in den Hintergrund tretende Mel sprechen für ein funktionierendes Miteinander.
Der entstöpselte Part der DVD mag wie ein Tribut an den allgemeinen musikalischen Konsens betrachtet werden, dass man "so was eben auch mal machen muss". Stimmt wahrscheinlich. Trotzdem lassen sich Melanies Versuche ganz nett an; in gedämpfterem Licht, sozusagen mit Kaminzauber-Atmosphäre auch wenn sie mit "acoustic" ein wenig Etikettenschwindel betreibt, denn die Verwendung von E-Bass, Keyboards, Sequenzern etc. ist wohl nicht, was man unter einem Unplugged- oder Akustik-Auftritt subsummieren würde.
In der Extra-Sektion finden wir - nebend der fast obligatorischen Bilder-Galerie - ein ausführliches Interview. Die Bilder zeigen - neben Promo-Hausnummern, die für solche Befragungen wohl fast unumgänglich sind - was oben schon erwähnt wurde. Die Zusammenarbeit zwischen Mel und ihrer Band scheint entspannt und auf freundschaftlicher Basis von statten zu gehen und bestätigt den Eindruck einer Künstlerin, die aus Spaß an der Musik auf der Bühne steht und es genießt, machen zu können, was sie möchte.
"Live Hits" ist zwar nicht die Show-Sensation des Jahres, aber ganz sicher sehenswert.
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