laut.de-Kritik
"The Four Horsemen" des Thrash.
Review von Emil Dröll"Kill 'Em All". Der Titel klingt fast antithetisch, wenn man bedenkt, dass hier etwas geboren wurde: der Thrash-Metal. Klar, wenn man Erbsen zählen will, findet man Zeitgenossen, die ähnlich schnell, hart und kompromisslos unterwegs waren. Aber Metallica waren die, die daraus eine Kunstform machten – und vor allem: eine Karriere.
Statt Glam-Glitter regierte plötzlich Beton. Metallica mischten New Wave Of British Heavy Metal mit der Geschwindigkeit des Punk und der Attitüde der Straße. "Kill 'Em All" war die Abrissbirne, die man brauchte, um das musikalische Hochglanzjahr 1983 einzureißen.
Das Cover? Ein blutiger Hammer. Der Bandname in blutroter Frakturschrift. Mehr Metal ging nicht. Der Albumtitel geht angeblich auf Cliff Burton zurück: in Rage über die Plattenfirmen, die den gewünschten Namen "Metal Up Your Ass" nicht durchgehen lassen wollten. "Then let's kill 'em all!". Zack, neuer Titel gefunden. Auf der Rückseite der Platte steht "Bang that head that doesn't bang". Ein Versprechen, eine Drohung, eine Realität. Denn wer bei diesem Album nicht headbangt, hat es eh nie ernst gemeint.
"Kill 'Em All" startet mit "Hit The Lights", einem Track, der klingt, als hätte man ihn rückwärts ins Album gemischt: chaotisch, roh, unaufhaltsam. Die Riffs schneiden wie Kettensägen, das Schlagzeug hämmert präzise, fast schon zu sauber – aber nie klinisch. Der Sound versprüht den Charme einer hungrigen Band, die sich nicht zurückhält. Kein Zufall: Produziert wurde mit wenig Geld, aber maximalem Druck.
Auffällig ist, wie frisch das alles noch klingt. Sicher, der Gesang hallt ein wenig unbeholfen, die Gitarren matschen stellenweise – aber das hier ist kein Fehler. Das ist Charakter. Das ist Thrash in seiner reinsten Form.
Und dann: "(Anesthesia) – Pulling Teeth". Ein vierminütiges Bass-Solo. Heute ein Kultstück, damals für viele ein WTF-Moment. Wer braucht bitte ein Bass-Interlude in einem sonst durchgehend prügelnden Debüt? Cliff Burton, ganz einfach. Der Song wirkt wie ein Fremdkörper, aber einer, der genau deshalb hängenbleibt. Ein Stück Virtuosität im Haifischbecken. Ob das den 'Meilenstein'-Status rechtfertigt? Vielleicht nicht allein. Aber es ist ein Fingerzeig auf das, was Metallica noch werden sollten: mehr als nur Krach.
Dave Mustaines Schatten liegt über dem Album wie eine Gewitterfront. Kurz vor den Aufnahmen rausgeworfen, wegen – sagen wir – ausgeprägter Unverträglichkeit mit allem, was nüchtern und diszipliniert ist. Doch viele seiner Riffs blieben. "The Four Horsemen" etwa basiert auf seiner Idee, wurde aber von Hetfield und Hammett zum modernen Metal-Galopp umgebaut. Wer was wann geschrieben hat? Stoff für Streitereien auf ewig. Aber wer's spielt, gewinnt (auch wenn Megadeths "Mechanix", den zweiten Platz belegt).
"Whiplash", "Phantom Lord", "Metal Militia" - alles Songs, die wie ein Maschinengewehr durch die Tracklist rattern. Keine Ausfälle, kein Füllmaterial, kein Kompromiss. "Seek And Destroy" fällt ein bisschen aus dem Rahmen, weil es langsamer ist, aber dadurch um so gefährlicher. Der Song lebt bis heute in jedem Live-Set weiter. Weil er muss.
Und genau da liegt die Stärke von "Kill 'Em All": Es war der Startschuss, nicht nur für Metallica, sondern für eine ganze Bewegung. Für eine Band, die später in Stadiongrößen dachte, aber hier noch in Clubs alles niederbrannte. Für Musiker, die wussten, was sie wollten, auch wenn sie noch nicht wussten, wie sie es am besten erreichen. "Kill 'Em All" ist bestimmt kein perfektes Album. Aber es ist ein perfekter Moment mit der perfekten Note an Authentizität. Und manchmal reicht genau das.
In der Rubrik "Meilensteine" stellen wir Albumklassiker vor, die die Musikgeschichte oder zumindest unser Leben nachhaltig verändert haben. Unabhängig von Genre-Zuordnungen soll es sich um Platten handeln, die jeder Musikfan gehört haben muss.
14 Kommentare mit einer Antwort
Nanu, ist mein Lieblingsmetal-Album welches ich seit 30 Jahren (!) digge etwa noch nicht ver-meilensteint?
Allah!
Was für ein mieses Brett dieses Album ist. Rohes Fleisch auf Stahlsaiten weichgekocht.
Auch hervorragend zum Abbau von Agressionen bzw. als Beschallung beim Training zu verwenden, wenn die letzten Züge im dritten Satz einem zu schaffen machen.
Wer die Tribute-Version aus dem MEtal-Hammer von neulich hat, BITTE MELDEN!
Waaas? Der Gesang unbeholfen? Diese kratzige, jugendlich aggressive Schrei-Stimme macht doch den Reiz des ersten Albums erst aus! 10/10
Ich glaub, da dröllt uns einfach einer.
Die ersten drei Alben waren alle Meilensteine!
Die Produktion war zwar sehr tight, aber auch recht flach. Nicht ganz meine Musik. Enthalte mich.