laut.de-Kritik
Nur einem gebührt der Titel "Ökorapper Nr. 1".
Review von Dani Fromm"Aller guten Dinge sind nicht drei, sondern vier." Für Album Nummer vier steht Meyah Don das Produktionstalent Keysa Sozes zur Seite. Gemeinsam führen sie, mit reichlich "Herz & Seele", den Beweis dafür, dass der Titel "Ökorapper Nr. 1" nach wie vor nur einem gebührt.
"Du nennst mich einen Bauern? Wenn du wüsstest, wie recht du hast!" Wer könnte Mutter Naturs Belange in einer in weiten Teilen oberflächlichen Szene versierter vertreten, als ein diplomierter Agrarwissenschaftler?
Meyah Don vollbringt ein echtes Kunststück: Er prangert an, mahnt, kritisiert und schimpft ganz unverhohlen gegen Raubbau, Klimasünden und Gedankenlosigkeit, ruft unmissverständlich zum Handeln auf. Dennoch wirkt er zu keiner Zeit belehrend oder gar unsympathisch überheblich.
"... und gehts einmal schief, zeigt sich der Geist, den du riefst." Noch nicht einmal der moralapostelige Rat, den eigenen Drogenkonsum zu überdenken, wirkt, als trage ihn ein empörter Gutmensch mit erhobenem Zeigefinger vor.
Viel zu plastisch, schlicht zu schön, geraten im Vorfeld die Schilderungen des Rauschzustands nach Genuss psychoaktiver Substanzen. Nein, hier spricht ohne Frage jemand, der sich mit der Materie auskennt, und seine überaus sinnvolle Warnung lautet: "Legal, illegal, hart, weich, natürlich oder chemisch - pass' auf, dass dich keine erledigt."
Meyah Dons Geheimnis: Er spart sich Allgemeinplätze und beackert statt dessen Themenfelder, die er kennt und zu denen er Substanzielles beizutragen hat. Er predigt mit nahezu religiöser Inbrunst die Einheit der Schöpfung, fordert Respekt und verlangt - auch sich selbst - Konsequenz ab.
Das fällt selbst einem "Mann mit Idealen" nicht immer leicht, wie "Fragen Ans Ich" offen legt: "Weißt du eigentlich noch, wer du bist?" Zutiefst persönlich und allgemeingültig zugleich tönt diese Selbstanalyse.
Gut, man muss seine leicht näselnde Stimme abkönnen. Dann jedoch präsentiert sich der Berliner als ein nie versiegender Quell übersprudelnder Phantasie, als scharfer Beobachter und grandioses Storytelling-Talent.
Seine "Plantman"-Saga, die auf "Mit Herz Und Seele" ihren Abschluss findet, schreit förmlich nach einem Filmemacher, der sich der weirden Superhelden-Geschichte annimmt. Den Tanz dazu samt Schrittfolge liefert "Plantman Dance" gleich mit.
Einfühlsam schildert Meyah Don den in einer Katastrophe endenden Teufelskreis von Mobbing, Vereinsamung und Realitätsflucht in "Nimm Dein Leben In Die Hand" oder zeichnet in "Straßen Von Berlin", einer äußerst gelungenen Adaptation von Ralph McTells "Streets Of London", persönliche Tragödien gesellschaftlicher Außenseiter nach.
Ebenso packend breitet er eigene Erfahrungen vor seiner Hörerschaft aus, lädt im "Kopfkino" zu einer Zeitreise in seine private Vergangenheit, huldigt Frau und Kind ("Ich Bin Immer Für Dich Da"), verabschiedet sich mit einem ergreifenden Liebeslied von seiner verstorbenen Großmutter und zeigt sich ungebrochen "Dankbar":
"Sei dankbar für die schönen Augenblicke, denn der Tod wacht über alle deine Schritte." Kitschig? Ja, schon. Bei dem durchdachten, schier schamanischen Eindruck, den Meyah Don hinterlässt, kommt einem jedoch auch immer wieder die Bezeichnung "weise" in den Sinn.
Das hindert ihn trotzdem keineswegs daran, derbe draufzuschlagen - mit seinen eigenen Waffen, zweifellos aus kontrolliert biologischem Anbau: "Ich mach' aus dem Wort 'Bauernopfer' 'Opfer des Bauern' und stopf' dir das Maul mit einem Apfel, du Sau." Wundervoll.
Zudem: Keine Angst vor klassischem Material. Gemeinsam mit Justus interpretiert Meyah Don das Gedicht "Sprich aus der Ferne, heimliche Welt" neu - zunächst in eigenen Worten, schließlich im Originaltext von Clemens Brentano. Selbst Heidelberger Romantik ist rap-bar, die Nummer gehört - wie Torchs "Flammender Ring" übrigens - in jede Deutsch-Unterrichtsstunde.
Die zweite große Meisterleistung des Albums geht auf Keysa Sozes Konto. Seine Beats fangen die in den Texten heraufbeschworenen Stimmungen ein, verstärken sie noch. Unter seinen Händen stampft bedrohlich und düster "Diese Maschine", drischt Metall auf Metall.
Er bricht dem "Ökorapper Nr. 1" mit einem angemessen theatralischen Streicheraufmarsch Bahn, illustriert den großen Showdown zwischen "Plantman" und seinem unfreiwilligen Widersacher El Funghi und lässt die skurrilen Traumwelten, aus denen Meyah Don und Gris ihre "Geschichten Aus Der 2. Aufmerksamkeit" funken, Gestalt annehmen.
Gemeinsam kreieren alle Beteiligten ein akustisches Wunderland, in dem nichts so einfach ist, wie es scheint. Ökologie ist und bleibt eben eine komplexe Angelegenheit.
31 Kommentare
wow das muss ja wirklich gut zu sein. werd mir es mal anhören. hat das album schon jemand? ist es wirklich so gut?
ich habe es mir gerade bestellt. ich vertraue der rezensentin mal blind. kann dann in ein paar tagen berichten.
www.edit-entertainment.com
Okay, ich habe nun auch mehr reinhören können. Absolut top
Mal wieder ein schönes Album mit sehr viel Inhalt. Und er schafft es einfach die Atmosphäre in den Liedern mitzubringen.
Einfach gut zum Zuhören und Anregungen sammeln. Kauf hat sich auf jeden Fall gelohnt.
Unglaublich, was bei edit entertainment zurzeit alles geht.
Gelesen, gekauft, geliebt!
Hab das Album nun zu Hause stehen. Erwartungen übertroffen!