laut.de-Kritik
"Tu nicht so französisch, gib mir die Gauloises und dann verpiss dich!"
Review von Kai ButterweckNach vier Mundart-Alben kommt die gebürtige Schweizerin Mia Aegerter erstmals mit einem Album in hochdeutscher Sprache um die Ecke. Und an diesem müssen sich in den kommenden Monaten ähnlich gestrickte Folk-Pop und Singer/Songwriter-Kolleginnen messen lassen. Die gute Mia beeindruckt auf "Nichts Für Feiglinge" nämlich gleich zweifach: Zum einen lässt sie ihre Stimme von lieblichen Kammersounds begleiten, und liefert obendrein zahlreiche Melodien, die auch Stunden später noch nicht aus dem Kopf wollen.
Der von bezirzenden Xylophon-Klängen umgarnte Titeltrack, das zart gezupfte "Mehr Als Alles", das in Hall gebettete Delay-Drama "Böseslied", oder auch das bluesig angehauchte "Wenn Einer Von Uns": Man kommt als Freund von melancholischen Folk-Vibes einfach nicht genug von diesen detailverliebt arrangierten Sounds.
Ebenfalls beeindruckend: Mias Texte. Die mittlerweile in Berlin lebende Sängerin, Schauspielerin und Autorin offenbart Lyrik, die jedem das Herz aufgehen lassen, der dem Alltag mit offenen Augen begegnet. Natürlich geht es primär um die Liebe. Doch mit gängigem Herzschmerz-Kitsch hat Aegerter nichts am Hut. Statt die größte Kraft des Lebens mit Samthandschuhen anzupacken, begegnet sie ihr lieber mit einer Direktheit, die wahlweise zum Schmunzeln, zum Schlucken oder zum Nachdenken verleitet.
Mit Dreiecksbeziehungen hat sie es beispielsweise nicht so sehr ("Liebe Linear"): "Ich komm nicht klar mit so nem Hippie-Scheiß", haucht sie ins Mikrofon, während der Herzbube mal wieder unter einer fremden Dusche steht. "Tu doch nicht so französisch / Gib mir die Gauloises / Und dann verpiss dich!". Klare Worte. Mia weiß, dass die Liebe "Nichts Für Feiglinge" ist. Nur die Harten kommen in den Garten. "Wenn wir's nicht versuchen, dann sind wir Schwächlinge", singt sie. So einfach ist das.
Mias Blick in den Spiegel geht unter die Haut. Als "Superwoman" ertränkt sie ihren Kummer in Gin. Düstere Souvenirs aus der Kindheit? Auch Mia hat nicht auf alles eine Antwort. Ihre Stimme könnte zerbrechlicher kaum sein ("Schwarzer Fleck").
Und dann steht doch irgendwann das perfekte Glück vor der Tür. Aber auch eine Mia Aegerter kann nicht auf Knopfdruck über ihren Schatten springen. Sie ist noch nicht so weit, Mr. Big kommt zu früh in ihr Leben ("Du Kommst Zu Früh"). Aber sie nimmt's mit Humor, malt mit Wortspielen witzige Bilder und blickt nach vorne. Irgendwann wird auch das letzte Puzzleteil zum Vorschein kommen. Und dann wird alles passen.
1 Kommentar
Wunderschönes Album.
Aufgrund ihres früheren Stils hatte ich sie bisher gar nicht im Fokus. Aber das hier ist einfach großartig!