laut.de-Kritik
Von Jojo-Bässen und Substanz(en).
Review von Philipp KauseEine Hypnose-Sitzung dürfte einen kaum mehr in eine stete und willenlose Kopfnick-Bewegung hinein manövrieren als es die Beats von "Why You Killing Dem So" vermögen. Micah Shemaiah referiert routiniert über die Jugend in den Ghettos von Kingston mit ihren schmutzigen Schicksalen zwischen Koks-Dealing ("Hard Drugs"), Armut, Gewalt und Korruption, ob im Titelsong "Jamaica Jamaica" oder im bissig kritischen "Run Things", das übrigens auch als "Run Things Dub" mit eingängigen Grooves in die Gehörgänge walzt.
Die gesellschaftliche Negativ-Spirale wurde mittlerweile so oft besungen wie Südafrika und die Apartheid in den 80ern. Doch für jeden Artist mit Substanz und Content, bei dem auch noch die musikalische Qualität stimmt, kann man heute dankbar sein.
Als Micah 2015 den süßen leichten Sunshine-Hit "Easy Breezy" fabrizierte, schwammer er auf der Welle mit, die man 'Roots Revival' taufte. Während es stiller um den Trend wurde, reicherte sich das Werk des Sängers mit ernsten Inhalten an, und die Schlagzahl seiner Output-Rate nahm zu. Der fleißig veröffentlichende Rasta lässt neuere Klangfarben, die definitiv nicht mehr neu sind, in der Ecke vergammeln - und entscheidet sich im innovationsarmen Musikbiz gleich komnplett für die Rolle rückwärts.
Dub-Effekte wie hüpfende Tischtennisbälle und Jojo-Bässe wie in "Parler" nach Machart vieler süd- und westeuropäischer Steppa Style-Artists muten da noch modern an. Denn Shemaiah knüpft an dem Punkt an, an dem aus Roots der Rub-a-Dub hervorging und mit Hymnen wie Coxsone Dodds, Michigans und Smileys "Nice Up The Dance" die Steilvorlage für Digital-Dancehall gegeben war. Der Klassiker dient als Grundlage für den Lyrik-Staffellauf von Xana Romeo, Eesah, Rassi Hardknocks, Mikey General und dem Gastgeber in "Roots Blockbuster", diese Sound-Basis setzt sich noch in "Neva Miss" fort.
An den üblichen, breit gewalzten Bekenntnissen zum geheiligten Gras kommt man kaum vorbei, "Boom Draw ft. Bescenta" ist so eine Ganja-Lobpreisung. Melodramatisches wie "Many Miles ft. Sahie" sorgt noch für etwas Melodie auf der wort- und rhythmusbetonten Scheibe. Durchhören lässt sie sich perfekt. Der Schwachpunkt: Es fehlen zündende Hits und Hooks und überraschende Ideen. Trotzdem steht Micah Shemaiah weiterhin für die Premium-Kategorie der karibischen Insel-Exporte, denn in ihren Details ist die Platte großartig.
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