laut.de-Kritik
Die Zeit bei Nick Cave hat Spuren hinterlassen.
Review von Giuliano BenassiZwar ist Mick Harvey 2009 bei den Bad Seeds ausgestiegen, doch die fast 40 Jahre an der Seite Nick Caves lassen sich nicht einfach wegwischen. Schon der Titel des Albums zeugt davon, dass die Faszination für den Tod nicht nur beim ehemaligen Arbeitgeber eine Rolle spielt.
Doch während sich Cave früher gerne in fiktive Blut- und Mordorgien gestürzt hat, wählt sein ehemaliger Gitarrist den persönlichen Zugang: Auf diesem Album geht es um Freunde und Verwandte, die im Laufe der Zeit gestorben sind.
Ein intimes Werk also, das sich mit Schmerz und Verlust auseinander setzt. Auch hier besteht wieder eine Gemeinsamkeit mit Cave, wobei Harvey einen anderen Ausblick bietet: Statt Wut und Zynismus sind bei ihm eher Zärtlichkeit und Hoffnung zu finden.
"Als Mick Harvey den Bad Seeds den Rücken kehrte, dachte er nicht an das, was er hinter sich ließ. Seine Gedanken galten all jenen Seelen, die die Welt für immer verlassen haben. An Leben, die beendet sind, an all die Dinge, die ihm wirklich wichtig sind. Zum ersten Mal in eigenen Worten und auf seine Weise", ist auf seiner Webseite zu erfahren.
Dennoch haben die Bad Seeds der 80er Jahre musikalisch ihre Spuren hinterlassen, vor allem in Bezug auf die Akkordfolgen. Krachende Verzerrungen sind auf dem vorliegenden Album allerdings kaum zu finden. Im Mittelpunkt stehen Gitarren und Klavier, die Stimmung ist ruhig und gedämpft.
Harvey besitzt eine tiefe, vibrierende, angenehm unaufgeregte Stimme. Seine Arrangements sind minimalistisch. Nicht ganz so gespenstisch wie etwa bei Antony & The Johnsons, dennoch existentiell stark aufgeladen.
Leider bettet er die Thematik nicht in passende Arrangements. So bleibt kaum eines der Stücke haften. Nachdem der Opener vor sich hin geplätschert ist, lässt "The Ballad Of Jay Givens" kurz aufhorchen – aber auch nur, weil es an Leonard Cohens "The Partisan" erinnert. Als "Two Paintings" endlich in Fahrt kommt, ist es auch schon vorbei.
Im weiteren Verlauf lehnen sich "A Place Called Passion" und "How Would I Leave You" an jenen Cave des neuen Jahrtausends an, dem Harvey wegen künstlerischer Differenzen den Rücken gekehrt hat. Das abschließende "Famous Last Words", gleichzeitig auch die Singleauskopplung, passt mit seinen Keyboards und Industrial-Gitarren überhaupt nicht zum Rest.
"Sketches From The Book Of The Dead" ist nicht einfach einzuordnen. Einerseits bietet hier ein Mensch in einer schwierigen Phase seines Lebens tiefe Einblicke in seine Gedankenwelt, andererseits fehlt der Funke, der das musikalische Interesse zündet. Vielleicht hätte er einfach mehr Zeit vergehen lassen sollen? So hat er ein bedeutungsschwangeres Album geschaffen, das keinen bleibenden Eindruck hinterlässt.
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