laut.de-Kritik
Baukasten aus R'n'B, nackter Haut und sexuellen Klischees.
Review von Sven KabelitzMiguels zweiter Longplayer "Kaleidoscope Dream" ist in Amerika bereits im September 2012 erschienen. Die Grammys 2013 bringen dem Sänger Nominierungen für den 'Song Of The Year, 'Best R&B Performance' und 'Best Urban Contemporary Album' ein. Letztendlich darf er tatsächlich mit einem Grammophon für den 'Best R&B Song', seiner Single "Adorn" von der Bühne watscheln. Grund genug, dass nun endlich auch Deutschland am Talent des US-Amerikaners teilhaben darf. Danke, wie nett.
Parallelen gelten als beliebtes Mittel um einen neuen Künstler besser zu katalogisieren. Miguel darf sich über Vergleiche mit R. Kelly, Babyface und dem momentan allgegenwärtigen Frank Ocean freuen. Von einigen wird er bereits als Prince unserer Generation gehandelt.
Zwar erinnert die geschmacklose Covergestaltung an dessen "For You"-Album aus dem Jahre 1981 und ein Großteil der Texte spielt sich klar unterhalb der Gürtellinie ab, von der musikalischen Größe des kleinen Zeugen Jehovas zeigt sich Miguel jedoch noch ein gutes Stück entfernt. Wo Prince die meisten seiner Songs selbst schreibt, produziert und viele der Instrumente selbst einspielt, stehen sich für "Kaleidoscope Dream" eine Vielzahl von Produzenten, Songwriter und Musiker im Studio gegenseitig die Füße platt. Gerade einmal drei Songs gehen auf Miguel Pimentels alleiniges Konto.
Davon abgesehen findet "Kaleidoscope Dream" zielsicher, konsequent und dennoch verspielt ins Ziel. Eine Ansammlung gelungener R'n'B-Songs, die mit sechzig Jahren Musikgeschichte spielen und diese gekonnt mit der Gegenwart verknüpfen. Chris Brown pflastert seine Tracks mit 1990er-Synthies zu und nutzt diese als billiges Make Up. Pimentel gelingt das Künstück, diese in "Don't Look Back" mit dem Grundbeat des The Zombies-Klassikers "Time Of The Season" zu verbinden und auf diese Weise etwas Neues zu erschaffen. Über den maunzenden 1980er-Synthiebass des Outros endet er schließlich mit einem sanften "Is the time of the season for lovin', lovin'" und baut eine Brücke über Altersgruppen hinweg.
Auch im weiteren Verlauf dienen die Samples nicht als billiges Bling-Bling, sondern fügen sich geschickt ins Gesamtkonzept. Der Titeltrack "Kaleidoscoppe Dream" bedient sich, wie einst Eminems "My Name Is", an Labi Siffres "I Got The...", woraus sich eine elegante, vom Echo elektrischer Gitarren durchschnittene R&B-Nummer entwickelt. Hinter "How Many Drinks" mit Kendrick Lamar versteckt sich "We've Only Just Begun" von den Carpenters. Oh Gott, oh Gott, auch noch die Carpenters!
"Do you like drugs? Do you like hugs? Do you like love? Me too / Feel like we got so much in common now." Leicht zu beeindrucken scheint Miquel auch mit 27 noch zu sein. Wenn die angeflirtete Herzdame im romantisch und warmherzigen "Do You..." nun auch noch Musik, Filme und Essen mag, geht es gleich zum Standesamt. "Drugs" betont er dabei so niedlich und kindlich naiv, als wäre es ein fester Bestandteil jeder zweiten Valentinstagskarte. Um ihn herum schlagen Synthie-Bass-Stakkatos ein, um das Lied erfolgreich vor der potenziellen Überzuckerung zu bewahren.
Die YOLO-Hymne "Where's The Fun In Forever?" mit Gaststar Alicia Keys erhält ihre entspannte Atmosphäre dank des minimalistischen Einsatzes von Bass und Schlagzeug, nur kurzzeitig von Keys' Piano unterbrochen. Ausgerechnet "Pussy Is Mine", wohl der Track mit dem lautesten Titel, überrascht mit einem zurückhaltenden Arrangement aus verzerrter Gitarre und einigen gezielten Bassschlägen.
Miguel spielt mit Stereotypen, bricht diese aber wieder und wieder auf, um sich ihnen wie ein kleines Kind seinen Bauklötzchen zu nähern. "Kaleidoscope Dream" bildet seinen burlesken Baukasten aus R'n'B, nackter Haut und sexuellen Klischees. Moschus kitzelt in der Nase, die leicht psychedelische Produktion bricht im orangefarbenem Lichte einer Lavalampe.
7 Kommentare
...und der Typ hat ziemlich interssante Moves drauf:
http://i3.kym-cdn.com/photos/images/newsfe…
AUTSCHN!!!
Zwei Fans weniger.
erinnert mich an jamie woon
@Toriyamafan (« wieso erst jetzt???? super ding, krieg nicht genug vom Ersten Track. »):
Ganz einfach. Weil das Ding erst am Freitag offiziell in Deutschland auf den Markt kam. Wurde zuerst auf dem kleinen US-Markt ausgetestet, bevor es auf dem Weltmarkt Deutschland aufschlägt.
Gemischte Gefühle mit diesen Album. 3/5