laut.de-Kritik

Unverkopftes Debüt der Indie-Connection aus Mannheim.

Review von

"Das ist Kunst, mindestens in 1000 Jahren", sangen Frittenbude letztes Jahr – den Nerv der Zeit hatten sie schon damals getroffen und die Indie-Rave-Hymne des Jahres geliefert. Was das hier zu suchen hat? Ganz einfach: Mikroboy coverten letztes Jahr den Song. Genau wie Kettcar und Clickclickdecker. Und das ist bei Weitem nicht das einzige, was Mikroboy mit den Hamburgern gemeinsam haben.

Die Einflüsse tauchen hier an jeder Ecke auf - und das nicht nur weil Grand Hotel Van Cleef-Hausproduzent Swen Meyer an den Reglern saß. Mal fühlt man sich an die frühen, noch harmonischeren Kettcar erinnert, oft aber auch an deren späte, verstörendere Sylt-Klänge.

Angesichts seiner Art zu texten, mag Sänger Michi Ludes wiederum dem großen Marcus Wiebusch ein bisschen auf die Finger geschaut haben. Damit scheinen Mikroboy auch keinen Hehl zu machen, schließlich ist der Albumtitel "Nennt Es, Wie Ihr Wollt" selbst einem But Alive-Song entnommen. An diese selbst erlegte Messlatte reicht die Lyrik der Band leider nicht immer heran, manches klingt noch etwas unbeholfen.

Sehr schön dagegen, und ganz anders als die genannten Bands, scheut Ludes auch vor unverkopften, fast schon trivialen Zeilen nicht zurück: "Ich würd lieber draufgehen, statt morgen nicht neben dir aufstehen.". Den musikalischen Spagat zwischen Lagerfeuer-Gitarre und Elektro-Gefrickel meistern Mikroboy ähnlich wie Kevin Hamann. Nicht nur die Band-Biografie – vom Drumcomputer im Schlafzimmer auf die Bühne mit Band - liest sich ähnlich wie die des Hamburgers, auch der Sound erinnert stellenweise an die Spielereien, die sich irgendwo zwischen Atari-Nostalgie und C-64-Spielereien bewegen.

Da wird stellenweise ordentlich gequietscht, gepiepst und gerumpelt. Die elektronische Komponente bleibt jedoch immer dezent im Soundbild. Gut möglich, dass im Tourbus der Berliner irgendwo zwischen Bier und Gitarren Notwists Neon Golden oder das Postal Service-Debüt rumliegt.

Zum Plagiat verkommen Mikroboy deshalb nicht. Eigentlich haben sie sich nur die richtigen Einflüsse gesucht. Mit der ersten Single "Raus mit der schlechten Luft, rein mit der guten", deren umständlich langer Titel auf Anhieb an die Hamburger Schule erinnert, ist der Band unter Einsatz all ihrer Qualitäten einer der bislang schönsten deutschsprachigen Pop-Songs des Jahres gelungen. In wenigen Liedern der Platte steckt so viel Potenzial, den Gesamteindruck schmälert das aber kaum.

Zum Abschluss des Albums begrüßen sie noch Get Well Soon-Mastermind Konstantin Gropper, den man musikalisch vielleicht weniger erwartet hätte. Umso positivier die Überraschung, wie viel Sinn dieses Zusammenspiel doch macht.

Trackliste

  1. 1. Glück Reimt Sich Auf Augenblick
  2. 2. Raus Mit Der Schlechten Luft, Rein Mit Der Guten
  3. 3. Nichts Ist Umsonst
  4. 4. Du, Nicht Wir!
  5. 5. Rückschritt Gleich Fortschritt
  6. 6. Traumweltleben
  7. 7. Neue Zeiten
  8. 8. Eines Dieser Leber
  9. 9. Alle Menschen Verlieren Sachen
  10. 10. Apollo
  11. 11. Vom Leben Und Verstehen
  12. 12. This Room

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