laut.de-Kritik
Zynisch, an Faulheit aufgegeilt und desillusioniert.
Review von Paula IrmschlerDass die Welt irre wird und viele ihrer überdrüssig sind, erzählen uns Musiker in ihren Songs nun schon mindestens seit den 80ern und momentan ganz verstärkt. Man muss an dieser Stelle nicht noch all jene Umstände nennen, die dieses Phänomen beflügeln. Die Skepsis in Bezug auf die Moderne hat nun auch Wolfgang Möstl, Masterhead von Mile Me Deaf, zum Albenthema gemacht. Das Sehnen nach einem Finale der Menschheit ist längst ausgelutscht, aber hier muss es noch mal ran.
Auf "Alien Age" sehnen sich Mile Me Deaf also nach Aliens, die alles übernehmen und dann ist Ende Gelände. Hauptsache post. Bloß nie im Hier und Jetzt sein. Der Künstler von heute denkt weiter, nämlich dystopisch. Das Cover von "Alien Age" zeigt eine Stereoskopie in 3D-Optik und macht Augen-Aua.
Und so beginnt die Platte, wie zu erwarten, zynisch, an Faulheit aufgegeilt und desillusioniert: Nach einem zauberhaften, tonalen Einstieg, heißt es: "In your world you can't invent anything and can't understand the cause" ("Invent Anything"). Alles sinnlos eigentlich, aber Möstl macht sein Ding.
Sein Ding ist jetzt anders als zuvor. Die Gitarre ist in den Hintergrund gerückt, stattdessen wird alles gesampelt, was in Fingernähe kommt. Neben Musikfetzen anderer Bands sind das Therapiekassetten, japanische Folkmusik, Blaskapellen, Harfenklänge, Gameshows, eigene alte Aufnahmen und andere Trashfunde. Klingt eigentlich alles ziemlich geil. Und nicht nur eigentlich.
Möstl ist ein Produktionsprofi. Neben seinen eigenen Alben hat er an die 50 weitere Platten produziert, vor allem in der Wiener Szene ist er eine dicke Nummer. Und auch "Alien Age" hat er größtenteils im Alleingang aufgenommen. Nachdem ihm ein MPC 1000-Sampler in die Hände fiel, hat er sich großzügig an dessen Fähigkeiten bedient und daraus die Songs zusammengestellt. Loops, Dub, Ambient, Funk, Synth, Vaporwave und Jazz – all das sollte irgendwie auftauchen und ist zu einer beeindruckenden Collage zusammengewachsen.
Den zehn Tracks auf "Alien Age" merkt man die liebevolle Zusammenstellung zwar an und muss sie honorieren. Doch zu sehr ähneln sich die Songs, zu sehr betont gelangweilt ist der (Sprech-)Gesang des Möstl, zu viel wurde gewollt und aufeinander geschlagen. Das Besondere geht in der Masse unter. Rotzig, britisch, understatementmäßig klingt der Wiener, hat aber dennoch eine Menge zu sagen.
Exemplarisch dafür, wie schief das gehen kann, ist in "Blowout" zu vernehmen. Fast schon gähnend erwähnt wird ">You hold still, hold still, hold still", ja, für Tracks wie diesen wurde der Begriff "eingängig" erfunden. Das Zepter aus der Hand gibt Möstl beim Folgetrack "Shibuya+", dem vielleicht stärksten Track des Albums. Kollegin Katarina Trenk von den Sex Jams übernimmt den Gesang und entstanden ist eine satte, aber verspielte Noisepop-Nummer.
Danach geht es leider so zäh weiter wie zuvor. "The World We Own" ist wieder betont zurückgelehnt, selbst wenn es heißt: "So excited to get lost somehow". Wir drehen uns im Kreis. Im Titeltrack "Alien Age" bringt Möstl das beim Hörer entstehende Gefühl auf den Punkt: "What happens to the Human Age, when everyone is bored of it?" Man möchte ihn anschreien und aufrütteln.
In "One Ark" und "Headnote No.2" und "Where Else" dann die gleiche Leier, bevor sich "Zither" und "Martian Blood" doch nochmal Mühe geben. Letzteres stellt ein fulminantes Ende einer Platte dar, die stark anfängt und ebenso schnell langweilt. Hier wird es nochmal rasant getrieben und die Welt abgerissen.
Endlich klingt der Musiker, als hätte er Emotionen und rechnet nebenbei noch mal mit der Menschheit ab: "Fuck it, I am out, it's time to wipe us out". Vielleicht hätte dieses Album als EP besser funktioniert. Vielleicht im nächsten Leben.
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