laut.de-Kritik
Liebe wird immer noch im Bett gemacht ...
Review von Stefan JohannesbergDies ist kein Test, sondern eine richtige Klausur, die Missy Elliott hier als Schülerin absolviert. Auf "Under Construction" outete sie sich als Hip Hop-Student der Old School, auf "This Is Not A Test" besucht sie die R'n'B-Penne. Lehrer dort: der promovierte Produzent Timbaland, der den Musik-Nobelpreis seit geraumer Zeit abonniert hat. Und die Klasse verfolgt gebannt seine Klasse, wenn die dunklen Bassdrums beim Opener "Baby Girl" slow durch melancholische Piano-Loops und Mary J. Blige-Gesang wackeln.
Und seine Fächer sind weit gefächert. Die erste Single "Pass That Dutch" setzt die glorreiche Tradition von "Get Your Freak On" und "Work It" fort, indem sie monoton brummende Synthies mit den Diwali-Claps verbindet. Absolut einser-verdächtig tropfen auch die Klavier-Klänge auf "Wake Up" einsam und verloren wie ein undichter Wasserhahn ins Waschbecken. Gast-Rapper Jay-Z macht nach seinen Michael Schuhmacher-Referenzen mit der Zeile "Ivizu-Jeans cover the rectum, my kick game just like David Beckham" wieder auf Sport-Europäer in Spe.
Ähnlich preiswürdig cruist Timbo mit "Keep It Movin" und Ragga-Star Elephant Man durch die 30-Zone und klackert für "Let It Pump" furztrocken durch Old School-Rhythmik. Hiwi Missy als Co-Produzentin immer in Reichweite und natürlich mit Höchstnote im Heft. Ihr Gerappe und Gestöhne verblasst dagegen nur zur guten Randnotiz.
Dass Missys neuestes Album leider auch keine Doktorarbeit geworden ist, liegt an der selbst ernannten "Releast From The Fake" selbst. Ihr fünf Tracks umfassende Interpretation des R'n'B-Genres weist trotz netter Gesangseinlagen von Misdemeanor Tiefenmängel auf. Das Thema Sex in allen Ehren, aber Liebe wird immer noch im Bett gemacht und nicht im Club. Dort wird sich höchstens 'verliebt', wissen die End-Zwanziger.
Auf "Is This Our Last Time" fragt sie Rapper Fabolous dann: "Why don't you fuck like me before?" Weil sich der Synthie-Sound nicht für schweißtreibende Stunden zu Zweit eignet, herrgottnochmal! Dafür kommt er einfach zu flach durch die Boxen. Und soulige Dance-Nummern über (Sex-)"Toyz" jucken selbst die Kumpels nicht. Immerhin folgt sofort die Selbsterkenntnis "I'm Not Perfect".
Nur ein einziger Track lässt musikalisch wirklich das Eis schmelzen. "Dats What I'm Talkin About" schwebt als R. Kelly-Soulballade durchs Zimmer. Missy singt in schwindelerregenden Höhen über "Have You ever been in the mind of a virgin" und andere interessante Intimitäten. Alles könnte so sexy sein, wenn nicht auch der Produzent lyrisch ins Geschehen eingreifen würde.
Ein Song über Entjungferung, in dem der wegen Sex mit Minderjährigen angeklagte Kelly auftaucht, ist nicht einfach oder einfach nicht zu ertragen, trotz Unschuldsbehauptung. Abzüge in der B-Note lassen sich so nicht vermeiden. Missy sollte ruhig noch mal in Klausur gehen wie die Mönche. Immerhin ist dies ja keine Abschlussprüfung wie Jay-Zs "Black Album". Durchgefallen wäre sie aber trotzdem nicht.
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