laut.de-Kritik
Wie ein angeschlagener Boxer kurz vor dem K.O.
Review von Robin SchmidtSchon 2016 sprachen Ali As und MoTrip über ein Kollabo-Projekt. In den letzten zwei Jahren loteten sie die Möglichkeiten hierfür immer wieder aus, in diesem Sommer machten sie Nägel mit Köpfen. Herausgekommen dabei ist: "Mohamed Ali". Der Titel spielt natürlich auf "The Worlds Greatest" Muhammad Ali an und setzt sich aus den Vornamen der Rapper zusammen. Fortan soll die jeweils eigene DNA zu einer gemeinsamen verschmelzen.
"Das Beste, was aus München kommt, seit BMW" und "Das Beste, was aus Aachen kommt, seit KKS" propagieren die beiden in "Legendenstatus". Das mag zweifelsfrei stimmen – was die Vergangenheit betrifft. In der Gegenwart erscheinen diese Claims aber haltlos.
Dreieinhalb Jahre ist es her, dass MoTrip mit "Mama" einen fast ebenbürtigen Nachfolger zu seinem 2012er-Debütalbum "Embryo" auspackte. Kollege Brandl titelte zum Opus Magnum des Aacheners damals: "Wenn hier einer Deutschrap rettet, dann dieser Mann."
2018 ist davon spürbar wenig geblieben. Klar: Deutschrap hat sich während MoTrips Abstinenz gewaltig gedreht, ist offener denn je geworden und bezieht Einflüsse aus allen Richtungen mit ein. Dass Trip auf diesem Spielplatz nun auch einmal mitspielen möchte: einigermaßen verständlich. Dass das hier allerdings zu Lasten seines Markenkerns aus sprachlich versierter Reimtechnik mit Message geht: unverständlich.
Ali As, der sich bekanntermaßen sehr stark an US-Rap orientiert, fährt diesen Film aus reduzierter Lyrik, gepaart mit einer gewissen Leichtigkeit, schon länger. Mit seinen ebenfalls unbestrittenen technischen Skills erzeugte er so oftmals eine teils ignorante, aber gleichzeitig auch immer amüsant-sympathische Stimmung.
Was die beiden Poeten aber auf "Mohamed Ali" veranstalten, überrascht dann doch ziemlich. Das Spektrum reicht von müden Flows über wenig raffinierte Texte bis hin zu völlig überdrehten Autotune-Hooks.
So bietet MoTrip auf "Pros" folgende trappige, gleichzeitig einfallslose Hook an: "Mein Herz hat mir gesagt, es wird groß / Wir sind keine Homies, wir sind Pros / Spielen keine Spiele, wir spielen Shows / Wir sind keine Rookies, wir sind Pros." Irgendwie muss man seinen Status ja zementieren - aber doch nicht mit Lines, die nur darauf ausgelegt sind, grade so die zwölf Zeilen zu füllen.
Ein weiteres Beispiel, das an Oberflächlichkeit kaum zu überbieten ist, findet sich in "Atelier". Ali As rappt hier: "Jetzt steh' ich schon fast 'ne Stunde hier / Yeah, ich seh' dich an und möchte Kunst studieren / Du siehst aus, als kommst du grad vom Shooting, Babe / Sag mir, wieso stehst du hier und nicht im Louvre, Babe?" Klar, sowas fragt man sich heutzutage natürlich immer.
Die Pre-Hook von "Ja" tritt in die gleiche, kaum aussagekräftige Kerbe: "Treff' dich an 'nem Freitag high in einer Bar / Wir kommen erst am Samstag langsam wieder klar / Was ein schöner Sonntag, denn du bist noch da / Wir stehen am Montag verkatert vorm Altar." Generell wirken die Refrains komplett austauschbar, kaum eine Zeile bleibt ansatzweise hängen. Kein Wunder bei Weisheiten wie "Wer Feuer machen will, der muss Holz hacken" ("Holz Hacken").
Dass es im Deutschrap von 2018 zudem mittlerweile ausreicht, einige exquisite Markennamen sowie ein paar prägende Persönlichkeiten wie Politiker, Fußballer oder Musiker fantasielos aneinanderzureihen, beweisen die beiden gleich mehrfach, zum Beispiel in "Store" oder "Beatles".
Den Vogel komplett ab schießt aber "Feuerwehrmann". Selten so einen kitschigen Song samt käsiger Hook gehört, wie diesen hier: "Die ganze Welt brennt lichterloh / Und wir kommen nicht dagegen an / Die ganze Welt brennt lichterloh / Die Zukunft vor uns steht in Flammen / Ich wär' gern Feuerwehrmann / Feuerwehrmann, Feuerwehrmann / Feuerwehrmann, ich wär gern Feuerwehrmann / Feuerwehrmann, Feuerwehrmann, Feuerwehrmann Ooh ooh ooh ooh, ich wär gern Feuerwehrmann." Bei aller Liebe: Das hat mit Hip Hop nichts mehr zu tun.
Obendrein kopieren sich die beiden in ihrem eigenen Film auch noch selbst: "Neu" klingt rhythmisch wie die Fortsetzung von "Ja". Aus "Wir sagen einfach Ja" wird "Machen wir es neu". Das musikalische Soundgerüst ist durchgängig modern gehalten, allerdings kommen die Beats nicht immer aus dem Quark.
Einen kleinen Lichtblick gibt es dennoch: Zwei bis drei Tracks fördern den gewohnten Esprit der beiden dann doch noch zutage: Dazu zählt der Titeltrack "Mohamed Ali" sowie die beiden letzten Songs "Unbezahlbar" und "Endlich Etwas Echtes".
Trotzdem klingt der Großteil der Platte lieblos zusammengewürfelt. Um sich der breiten Masse anzubiedern, haben MoTrip und Ali As fast alle Register gezogen, damit sie irgendwie in den aktuellen Playlists landen. Natürlich verstehen die beiden immer noch ihr dichterisches Handwerk. Daraus wäre aber noch so viel mehr Kreatives zu ziehen gewesen.
Gemeinsam rufen die zwei Schwergewichte im Ringkampf nicht unbedingt ihre Stärken ab. Eher wirken sie wie ein angeschlagener Boxer kurz vor dem K.O.
Dass das genau so kommen könnte, ahnten beide scheinbar schon auf dem Album: "Wir sinds gewohnt über Scherben zu gehen / Irgendwann tut der Schmerz nicht mehr weh / Oft hat das Glück auf der Fährte gefehlt / Doch kommen zurück und sind stärker denn je." Bleibt zu hoffen, dass sie irgendwann wirklich "Stärker Denn Je" zurückkommen.
17 Kommentare mit 19 Antworten
bleibt ungehört.
Dieser Kommentar wurde wegen eines Verstoßes gegen die Hausordnung durch einen laut.de-Moderator entfernt.
"schwuler Butterhase" wird unverzüglich in meinen Wortschatz aufgenommen
Mir haben die überwiegend miesen Singles gereicht, um zum selben Urteil zu kommen.
Wahrscheinlich wird Kollegahs album nur mit 3 Sternen bewertet, wenn dieser totalausfall zwei Sterne bekommt. Dieses album hat höchstebs 1 sterb verdient und Monument objektiv 4 und subjektiv 20 mehr als mohammed ali
Zu viel schon gehörtes, wenig inspirierendes. Lyrics gefühlt aus anderen Songs mit Zufallsgenerator zusammengesetzt.
MoTrip mehr lyrische Finesse vorzuwerfen als Ali As ist tatsächlich objektiv dreist
Absolut, Ali hat immerhin seinen größten Hit geschrieben