laut.de-Kritik
Reggae aus Deutschland, tanzbar und intelligent.
Review von Benjamin FuchsDas Cover sieht mit seinen Blumen, der Krone und dem Spruchband im Piraten-Style eher nach dem Aufnäher einer Hardrockband Anfang der neunziger Jahre aus. Aufnäher, die sich Kids für zwei Mark fünfzig bei EMP geordert haben, per Sammelbestellung, um Porto zu sparen. Im Reggaekontext würden wohl die wenigsten solch ein Design vermuten. Doch genau dort gehört es hin, findet das Reggae- und Dancehall-Duo Mono & Nikitaman und schmückt damit das Cover seines zweiten Albums "Für Immer".
Thematisch sind Mono & Nikitaman gewohnt breit aufgestellt - die Lyrics setzen sich mit Klugscheißern, gierigen Kapitalisten, Dudelfunk im Radio, Neonazis und der Liebe auseinander und das sind noch nicht alle Bereiche, die sie ansprechen. Hier hat sich jemand eine Menge vorgenommen, so viel wird schnell klar. Dancehall-Riddims und rootsige Sounds teilen sich sehr ausgewogen den Platz auf "Für Immer", die Produktion klingt warm und international, wie es bei deutschen Acts selten der Fall ist.
Flip von der Linzer Hip Hop-Truppe Texta nahm die Vocals auf und gab ihnen an den Reglern letzten Schliff. Ergebnis: Die Lyrics sind organisch in die Musik eingebettet. Nicht aufdringlich, nicht in der zweiten Reihe - so muss es klingen. Ideal kommt die Kombination zwischen Tilstras rauem Deejaying und Monos (Monika Jakschs) sanfterem Gesang daher.
Mono & Nikitaman verorten sich eher auf der linken Seite der politischen Meinungspalette und vertreten ihre Ansichten vehement. Kein Wunder, Nikitaman alias Nick Tilstra kommt ursprünglich aus der Hausbesetzerszene Düsseldorfs und ist mit Punkrock aufgewachsen. "Boom" gibt entsprechend der rechten Szene wortgewaltig eins auf den Stahlhelm, Humor kommt dabei nicht zu kurz. Kostprobe gefällig? "Ich soll meine Feinde lieben, gut dann mach ich halt Lieder/ Statt Prügeln spielen wir lieber, wir texten euch einfach nieder/ Ihr seid wie Göbbels im Mieder, unterschätzt wie Katharina".
Vor allem aber macht der Song darauf aufmerksam, dass man Rechte und Linke nicht mehr nur anhand von Glatze und Che Guevara-Shirts unterscheiden kann. Längst werden Bands wie Ton Steine Scherben auch bei Nazi-Aufmärschen gespielt, laufen junge Rechte mit Kapuzenpullis und langen Haaren umher - Ur-Linke Symbole vereinnahmt die Szene mittlerweile und deutet sie für sich um.
Extrem tanzbar ziehen die beiden in "Fresse Halten - Selber Machen" mit derben Beats und Texten, die einen auch mal laut lachen lassen, gegen Maulhelden zu Felde. Beine und Mundwinkel zucken gleichermaßen. Erstere zum Beat, letzere im Pointentakt.
Etwas rauer hätte vielleicht der Riddim zu "Tausend" ausfallen können. Der Text klingt wie eine Kampfansage, die positiv fließende Musik und die relativ liebliche Melodie im Refrain nimmt ihm die Schärfe. Ein kleiner Makel auf dieser sonst durchgängig richtig starken Platte.
Mono & Nikitaman zeigen, dass sie im deutschsprachigen Reggae ganz vorne mitmischen wollen. Das werden sie auch: Amüsant, kritisch, relaxt, tanzbar, intelligent - die beiden sind vielseitig und einfach gut.
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