laut.de-Kritik

Sludge Metal in Zeitlupe: Genau so klingt die Hölle.

Review von

Jesus, Maria und Josef. Zäh fließt er dahin, der Lavastrom, sehr zäh. Wer seinem Sludge Metal am liebsten dabei zusehen möchte, wie er in extremer Zeitlupe durch Wände bricht und Mann und Maus niederwalzt, muss hier zugreifen. Was die Finnen Morbid Evils auf ihrem Zweitling "Deceaces" veranstalten, lässt wenig Vergleiche zu. Doom natürlich, Death Metal schon alleine aufgrund der röchelnden Vocals, aber sonst? Zumindest ich habe so etwas noch nie gehört. Dafür ist die emotionale Wirkung umso stärker. Trotz der Hitze dringt die Kälte eines Songs wie "Evaporate" bis in jede Pore und tötet alles Leben.

Was für Leute haben Spaß daran, solche Musik zu spielen? Grassiert in Finnland eine besondere Krankheit, die alle Freude aus den Menschen heraus saugt und nur noch trostlose Schwärze in den Herzen zurück lässt? Denn genau so klingt dieses Album. Wer möchte sich auf eine Reise ins Herz der Hoffnungslosigkeit begeben? Dann hier entlang, bitte. Sechs schaurige Brocken werfen dir diese Skandinavier vor die Füße und lachen heiser über deine Verzweiflung. Labile Seelen sollten sich besser direkt einen Therapieplatz sichern, denn der Konsum dieser Musik, wenn man diese Geräusche wirklich so nennen möchte, führt unweigerlich in die geschlossene Abteilung der nächsten Psychiatrie. Die Lampen an den nassen, schimmligen Wänden flackern schon.

Je länger dieses Album andauert, desto mehr fürchtet man als Zuhörer um seine geistige Zurechnungsfähigkeit. Merkst du schon, wie sich grünlich-modrige Sporen des Wahnsinns in deinem Gehirn ausbreiten? Halt die kompletten 40 Minuten durch und gewinne als Preis eine Endlosschleife irren Gelächters. Lös dich auf im Nichts! Hörst du den verzerrten Abgrundbass und die Gitarrenwände Luzifers? Die Reise ins Epizentrum der Depression fordert ihren Tribut.

Wenn die Finnen zwischenzeitlich in "Dark Matter" mal für einige Sekunden die Geschwindigkeit erhöhen, blickt man voller Dankbarkeit auf. Sollte in diesem Meer aus Schwärze, zermahlenen Knochen und gekochten Seelen doch noch irgendwo ein Hoffnungsschimmer durchdringen? Nein. Es war eine Illusion, das Ende aller Zeiten lässt sich nicht mehr aufhalten. Genau so klingt die Hölle. Wer genau aufpasst, kann im Hintergrund die Schreie anderer verrückt gewordener Hörer vernehmen.

Ganze drei Musiker braucht es, um diesen infernalischen Klangsud zu erzeugen. Drei Typen, die hoffentlich unter nachrichtendienstlicher Beobachtung stehen. Möglicherweise haben wir es hier mit einem perfide geplanten Terrorangriff auf westliche Werte wie Lebensfreude und Vergnügen zu tun. Ja, das muss die Erklärung für dieses Album sein. "Deceases" ist atmosphärisch und technisch ganz toll gemacht, die Produktion konkurrenzlos räudig und niederwalzend. Aber ich möchte das bitte nie wieder hören müssen.

Trackliste

  1. 1. Murder
  2. 2. Dead Weight
  3. 3. Evaporate
  4. 4. Tumour
  5. 5. Death Breath
  6. 6. Abacinated

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4 Kommentare mit 7 Antworten

  • Vor 7 Jahren

    findest du wirklich, dass es ähnlich kaputt, krank und upgefuckt ist, wie frühe EHG, acid bath und Graveyard Rodeo? aber ich bin froh um jede "richtige" sludge band, die mir nicht mit prog gekasper auf die nerven gehen will, wenn ich meinen entzugserscheinungen fröne

  • Vor 7 Jahren

    "Wenn die Finnen zwischenzeitlich in "Dark Matter" mal für einige Sekunden die Geschwindigkeit erhöhen, blickt man voller Dankbarkeit auf."

    Habe ich einen Song verpasst?

  • Vor 7 Jahren

    Sehr wortreiche, reisserische und so bissel um Sensation bemühte Rezi. Der Autor findet sich sicher so richtig gut. Die Musik oder was das immer ist, findet in jedem dritten Proberaum zwischen Kaliningrad und hier statt. Kein Grund zur Aufregung. Es sei denn, man ist noch klein und leicht zu erschrecken. Der Luzifer selbst gähnt da drüber. Mal halblang, gelle. Ich sitz sowas auf ner halben Backe ab :-D

    • Vor 7 Jahren

      Cooler Typ, dieser Doktor Rock.
      Ich fand die Rezi unheimlich unterhaltsam und wenn der Olsen so ne Art Musik noch nicht gehört hat, ist seine Reaktion auch gar nicht so verwunderlich. Deine dagegen ziemlich prätentiös.

    • Vor 7 Jahren

      Nun ja. Bin ja nur zufällig über diese Rezi gestolpert. Eines hab ich mit dem Verfasser gemeinsam. Ich werde mir das das Ding auch nie mehr anhören. Aber nicht weil das so höllisch ist, sondern auf Dauer langweilig. "Die Hölle ist eine Jauchegrube außerhalb von Neu Delhi." Hab ich irgendwo gelesen ;-)

    • Vor 7 Jahren

      Herrgott, zieh dich doch nicht so an den Höllenmetaphern hoch. Nenn mir lieber Alternativen, wie du sowas ausdrücken würdest. Ich hab so einen Sound wirklich noch nie zuvor gehört.

  • Vor 7 Jahren

    ... muss ich mir sorgen machen, wenn ich das sooo depri gar nicht finde? :D

    • Vor 7 Jahren

      Du bist von den ganzen Deutschrappern zu abestumpft.

    • Vor 7 Jahren

      Bin zwar normalerweise auch eher im Rock / Metal verortet, aber für Depri- und Apokalypsestimmung hau ich mir auch gerne mal nen Prezident Album rein :D Hat bei mir tatsächlich mehr Effekt als das Ding hier, einmal reingehören hat auf jeden Fall gereicht..