laut.de-Kritik
Eine anschmiegsame Sammlung skurriler Popsongs
Review von Michael SchuhSchon das tiefrote Blütencover verströmt eine gewisse Romantik, die, wie man nach mehrmaligem Hören der neuen Motorpsycho-Scheibe anerkennen muss, nicht besser hätte vertont werden können. Machte das norwegische Trio bisher vor allem durch ausufernde, sich gegen herkömmliche Strophe-Refrain-Schemata sträubende Breitwandrock-Unholde mit hohem Melancholie-Einschlag auf sich aufmerksam, haben wir es bei "Let Them Eat Cake" mit einer anschmiegsamen Ansammlung skuriller Popsongs zu tun. Wer Motorpsycho kennt, weiss, dass mit dem Begriff Popsong weniger lustige Chartshüpfer, denn grenzenlos schöne Melodien gemeint sein müssen.
Die in den noch frisch im Kurzzeitgedächtnis gespeicherten Jahrhundertrückblick-Album-Polls meist mit dem Spitzenplatz bedachten Beach Boys scheinen hier unbewusst Pate gestanden zu haben. Bereits das von Violine und Cello getragene "The Other Fool" macht deutlich: die Experimentierfreudigkeit ist noch immer vorhanden, im Gegensatz zu früheren Aufnahmen transferierte man sie lediglich in ein klar strukturiertes Songgefüge. Durch das Ausbleiben ungestümer Ausbrüche und den Einsatz teils harmoniesüchtiger, teils schräger Streicher-Arrangements, leuchten die Songs in neuem, träumerischem Licht.
Beatleesken Harmonien wie beim zuckersüssen "Big Surprise" kann man nur fassungslos gegenüber sitzen, während "Walkin' With J." in treibender 70er-Manier nach vorne geht und "Never Let You Out" beweist, wie wohlig sich der richtige Einsatz von Trompete und Tenorsax im Pop-Kontext auswirken kann. Ein Album mit durchweg starken Songs kriegt man nicht alle Tage in die Hände, so dass ich euch nur empfehlen kann, den kommenden, hoffentlich Frühling verkündenden Wochen mit melancholischem Liedgut aus Norwegen entgegen zu fiebern.
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