laut.de-Kritik

Atonaler Anschlag auf die Normen der modernen Tanzmusik.

Review von

Im kurzen "Introeil" kündigt der Franzose seinen halbstündigen Drittling mit seniler Computerstimme an: "Good morning, this is me again, Mr. Oizo. I just recorded some new stuff. I don't know what it is exactly, but I love it." Wild platzierte Geräusche machen die konfuse Atmosphäre perfekt und deuten auf eine alles andere als ausgewogene Platte hin. Tatsächlich hat der 37-jährige Quentin Dupieux auf seinem vierten Album nichts mehr für die eingängigen House-Beats übrig, mit denen er 1999 ("Flat Beat") europaweit die Charts stürmte.

Wer sich von Mr. Oizo schönen oder gar entspannten Elektrosound erhofft, liegt ohnehin komplett falsch. Doch auf "Stade 2" durchbricht der Franzose die musikalischen Normen der modernen Tanzmusik noch eindeutiger als auf dem drei Jahre zurückliegenden Vorgänger "Lambs Anger". Anstatt auf vollständige Phrasen zu setzen, bastelt der Produzent seine Loops aus einzelnen melodischen Versatzstücken zusammen. Dabei bewegt er sich über weite Strecken im Bereich der atonalen Musik, einen Grundton oder gar harmonische Abläufe sucht man in den 13 Titeln meist vergeblich.

Obwohl Oizo dem tonalen Zentrum komplett abgeschworen hat, bleiben seine Tracks stets im Rahmen des Musikalischen. Dabei dient der Rhythmus als Element, das die wilden Klänge zusammen hält und als Boden, auf dem die Tracks von zerstückelten Fragmenten zum Gesamtbild heranwachsen. Damit unterscheidet sich Dupieuxs Herangehensweise auf "Stade 2" einmal mehr ganz entscheidend vom herkömmlichen Songwriter, der seine Stücke auf Melodien oder Harmonien aufbaut. Die alternative Kompositionsweise schlägt sich in dem perkussiven Charakter der Songs deutlich nieder und hebt sie von der breiten Masse der elektronischen Musik ab.

Den ausgeglichensten und gleichwohl stimmigsten Punkt erreicht die Platte mit dem irreführend betitelten "Ska". Die funky Bassline kehrt immer wieder zurück in den Mittelpunkt, treibt die Nummer immens nach vorne und birgt ausnahmsweise eine Art melodische Kontinuität. Zwischendurch quietschen undefinierbare Klänge in wirr stotternden Stakkato-Schemen vor sich hin und zeichnen außergewöhnliche rhythmische Muster.

Wie eine Computerstimme verrät, steht "Edn" für "Everybody Dance Now" und stellt als Songtitel ebenfalls ein Paradoxon dar. Schließlich lässt Dupieux seinen Drumcomputer hier komplett verstummen und schmeißt dem Hörer ein gute Minute lang scheinbar wahllos Töne um die Ohren. Neben besagtem "Introeil" und dem kurzen Zwischenspiel "Pompe" steht der von jeglichem Metrum befreite Track im Kontrast zum durchweg überaus tanzbaren Rest der Tracklist. Bei diesem halten die Stücke ein extrem hohes Energielevel aufrecht, zu Höhepunkten kommt es wenn überhaupt beim abwechslungsreichen Titeltrack oder beim völlig abgedrehten "Datsun".

Bereits mit seinen letzten zwei Platten erspielte sich Mr. Oizo fernab vom gelben Kuscheltier Flat Eric den Ruf eines extrem talentierten Produzenten mit viel Liebe zum Detail. Auch auf "Stade 2" erklärt er eindrucksvoll, warum andere erfolgreiche Ed Banger-Signings wie Sebastian, Justice und Uffie ihn unisono als wichtigen Einfluss nennen. Daher ist es ein wenig schade, dass Dupieux seine musikalische Gabe hier voll und ganz auf die Produktion einer Dancefloor-Platte verwendet hat, die an einem Stück schwer zu ertragen ist.

Trackliste

  1. 1. Introeil
  2. 2. Camelfuck
  3. 3. Douche Beat
  4. 4. Datsun
  5. 5. Ska
  6. 6. Edn
  7. 7. Cheeree
  8. 8. Oral Sax
  9. 9. France7
  10. 10. Chiffon
  11. 11. Pompe
  12. 12. Stade 2
  13. 13. Druide

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