laut.de-Kritik
Haut das mit Edding an die Wände!
Review von Oliver Lambrecht"Himmel, Hölle, Arsch und Zwirn." ("Das Halbvolle Glas Des Kulturpessimismus")
Nach 14 Jahren Bandgeschichte steht mit "Steady Fremdkörper" Platte Nummer sechs in den Regalen. Irgend etwas muss geklappt haben bei Muff Potter. Und doch trüben einige graue Wolken die heile Welt. Das Leben ist kein "Wunschkonzert". Das dürfte niemanden überraschen, ganz anders als die Rohheit und Tristesse des Songs. Da sitzen Klingelputzer und einsame Omas achselzuckend im selben sinkenden Boot. Brami drischt wie irre aufs Schlagzeug ein, dazu ein vor Gitarrenwänden singschreiender Nagel, und schon bahnt sich der Weltschmerz seinen Weg.
"Ich Bin Doch Kein Idiot" und "Das Finkelmann'sche Lachen" handeln von denjenigen, die noch nicht aufgegeben haben. Beim eher gemächlichen Auftakt steht ein Kämpfer im Mittelpunkt, der sich zum einen mit dem berüchtigten Idiotentest auseinandersetzen muss. Zum anderen entwickelt er in dieser Situation auch den unbedingten Willen, andere von sich und seinem Schaffen zu überzeugen. Möglicherweise wird er dabei scheitern, aber immerhin mangelte es nicht an Engagement und Leidenschaft.
"Finkelmann" wiederum befasst sich nicht mehr mit der Idee des Scheiterns, sondern macht einfach weiter und stemmt Gewichte. Die Zeilen strotzen nur so vor Nagels Bewunderung für diese Haltung seiner Fitnessstudiobekanntschaft. Die Art und Weise des Vortrags erinnert stark an einen gewissen Thees Uhlmann, der Buchstaben Über Der Stadt sah.
Ähnlich verhält es sich mit der ersten Single "Fotoautomat". Ein Bild im Tomte-Blog zeigt deren Frontmann mit Wodka im Automaten, wie er Muff Potter seinen Respekt erweist. Wer mag es ihm verübeln, zeugt es doch von Geschmack, denn "Steady Fremdkörper" überzeugt mit seiner Kompaktheit und Stimmigkeit. Jeder Song enthält seine Zeilen, die man jederzeit Freunden widmen mag oder an exponierte Stellen kritzelt. Die Indierock-Musik, deren Punkanleihen allmählich ausleiern, nimmt den Hörer vom ersten Ton an mit.
Und wenn schon von Huldigungen die Rede ist, darf "Die Guten" nicht fehlen. Ein charmanter kleiner Gruß in Richtung Kettcar. Als hätte der Mann vom Balkon gegenüber seinen Frieden mit sich und der Ex gemacht. Allein die Stimmen und das Tempo machen den Unterschied zwischen Münster und Hamburg aus.
Die kurzweilige Assoziationskette in "Das Seh Ich Erst Wenn Ich's Glaube" rechnet mit Religionen und Ersatz-Religionen ab, wirbelt durch die Moshpits oder über Indiediscoflure und endet mit "Es gibt kein gutes Leben ohne Blasphemie". (Haut das mit Edding an die Wände!). An dieser Stelle bieten sich Wortspiele mit Nagel an. Den Gesang teilt sich besagter Frontmann mit Gitarrist Dennis, dessen Stimme dem Lied ein wenig Würze verleiht.
"Gestern An Der Front" setzt fort, was auf "Von Wegen" mit "Born Blöd" begann, braucht allerdings mehrere Durchläufe, bis der Faden aufgegriffen ist und weitergesponnen werden kann. Der Song, dem das Album seinen Namen verdankt, beschließt die mehr als 43 Minuten Musik. Er unterstreicht das Gefühl des Unbehagens, das sich nicht wegdiskutieren lässt und trotz der eingefahrenen Erfolge bleibt. Anders wäre die angry pop music der Band wohl weniger mitreißend und authentisch.
Als eine echte Hymne entpuppt sich "Das Halbvolle Glas Des Kulturpessimismus", in dem "der eine Moment" seine Würdigung erhält. Anfangs noch recht melancholisch, steigert sich das Lied in einen wahren Rausch hinein und ist all denen gewidmet, die das Rad nicht neu erfinden, aber am Laufen halten. Gerade in der Musik, in der die besten Lieder schon gesungen scheinen. Dass es doch immer wieder weiter geht, beweist diese Platte.
Wer Bands beim Wachsen zusehen möchte, findet kaum eine passendere als Muff Potter. Nach der ersten Reifeprüfung beim Major mutieren die ungestümen Selfmade-Punks aus der anderen Klasse zum Schulsprecher. Ohne die Qualität der vorliegenden Platte schmälern zu wollen, ist stets spürbar, dass dies nur ein Schritt ist und weitere folgen werden. Also schön das halbvolle Glas in die Hand und einander zugeprostet: Skål.
24 Kommentare
Schöne Review!
Besitze die beiden Vorgänger!Wenn "Steady Fremdkörper" nur halb so gut ist, dann halleluja!
Ich finde das Album ganz und gar nicht scheiße und auch keineswegs hört sich alles gleich an.
Meine Meinung.
Vielleicht musst du öfter reinhören, himself
is nicht ganz so der kracher.hat aber ein paar bomben dabei-manches verläuft sich leider in der belanglosigkeit.
@rantanplan85 (« ist bei mir genauso, nach dem ersten Hördurchgang war ich enttäuscht aber mittlerweile finde ich die Platte grandios, sie braucht halt ihre Zeit um zu zünden »):
Alle wirklich guten Alben brauchen etwas, bis sie auf allen Zylindern laufen... dafür laufen sie dann umso geschmierter!
ach komm himself halt einfach mal deine schnauze
geniales album, geniale texte, muff potter
ich liebe dieses album :):)