laut.de-Kritik
Ein kolossales Missverständnis.
Review von Ulf KubankeSo konnte es nach dem grandios dunklen Black Parade nicht mehr weiter gehen, ohne die Gefahr kreativer Stagnation: Fort mit dem Weltschmerz und her mit der fetten Dark-Age-Glamrock-Party. Aufwändige Endzeit-Trailer auf der Website, eine verquaste Story zwischen "Mad Max" und William Gibsons "Cyberpunk". Scheinbar fertig ist die hippe Scheibe.
Entsprechend nassforsch tönt der ohnehin nicht an Minderwertigkeitskomplexen leidende Gerard Ward. "Dies ist die Platte, auf die Iggy Pop stolz wäre." Mit Verlaub: Nein, Mr Ward! Herr Osterberg hat als abgewrackter Junkie im tatsächlich endzeitlich drogenschwanger anmutenden Berlin-Schöneberg wirkliche Apokalypse im kalten Neongewand zelebriert ("The Idiot").
Das hier ist nicht "Mad Max" geworden, sondern leider nur ein kolossales Missverständnis à la Costners "Waterworld". Inszeniert von Barbies Ken für einen klingeltonferngesteuerten US-Markt, dessen Jugend mehrheitlich frei von Stil, Geschmack und Subversivität urteilt.
Mit der Brechstange hämmern die Ansagen eines fiktiven Radiomoderators die Natur der Platte als Konzeptalbum ein. Doch was schon vor 23 Jahren bei Roger Waters "Radio Kaos" misslang, funktioniert heute nicht besser. Wo nur bleibt die Lässigkeit vergangener Tage?
Stattdessen: Narzismus und Selbstverliebtheit plus der Wille zum totalen Produktions-Overkill lassen die Scheibe in routinierter Schönheit ersterben. Dabei gelingt der Einstieg noch gewohnt hochklassig. "Na Na Na (Na Na Na Na Na Na Na Na Na)" überzeugt als knackig abgezockte Popnummer im Punk-Mantel plus Hommage an Bowies "Future Legend".
Das wars dann weitgehend. Erstmals orientiert sich der Vierer aus New Jersey allzu sehr an Freunden und Vorbildern. Die bislang immer an erster Stelle stehende Priorität der Eigenständigkeit geben sie an der Garderobe ab. "Bulletproof Heart" und "The Kids From Yesterday" gehen locker als Killers bzw. Brandon Flowers Outtakes durch. Mehr Drama Queen statt Drama.
"Planetary (GO!)" startet elegant im Glam eines Marc Bolan, um nach 40 Sekunden bei Lady Gaga zu landen. Gesprungen als Tiger, gelandet als Bettvorleger. Auch das schnelle "Party Poison" hechelt als kalkuliertes Pop-Punk-Abziehbild typisch amerikanischer Prägung lang und weilig vor sich hin: zwischen Pink und aufgesetzter Alternative-Coolness.
So richtig bei sich ist das Quartett nur beim hymnisch fließenden Glam-Vorzeigestück "S/C/A/R/E/C/R/O/W" und dem creepy Gothpunk-Karussell "Vampire Money". Hier lösen sie sich von der verkrampften Überambitioniertheit und machen einfach Spaß. Am Ende dürfte das Album als Wegstrecke zur Neuorientierung sicherlich wichtig in der Bandbiografie der Chemicals sein. Man muss schließlich auch lernen, was alles nicht geht.
29 Kommentare
Das Album ist tatsächlich nicht gut. Einzige Lichtblicke für mich sind Na Na Na, Bulletproof Heart, Vampire Money und das wirklich gelungene The Only Hope For Me Is You. Letzteres geht für mich in die Liste der besten MCR-Tracks ein. Der Review kann ich vollkommen beipflichten. Schade, das!
Im übrigen heißt der werte Herr Gerard Way, nicht Ward.
Warum klingt Sing eigentlich so stark nach Everlasting Love?
@MrMorrison (« @Sancho
Ja, da gehe ich sogar mit.
Was das mit Musik zu tun hat, weiß ich allerdings nicht... oô »):
Ich wollte damit sagen, dass egal ob es ein Konzeptalbum ist oder nicht und egal was der Künstler damit sagen will, schlechte Musik bleibt schlechte Musik.
Jaja , Danger Days ist besser als Three Cheers und Black Parade zusammen und wird nur noch von Bullets übertroffen , und was Mcr mit den göttlichen Killers zu tun haben bleibt mir gänzlich verborgen . Das neue Album erinnert mich an 30stm This Is War , nur um einiges besser
@Sancho
'Schlechte Musik' liegt vor allem im Auge des Betrachters. Die Existenz von Hundekot weniger.
Ich meinte damit auch nicht, dass man das Album wegen diesem Fakt gut finden muss, aber ich finde, er erklärt ein paar Dinge, die zumindest ICH ohne Zusammenhang seltsam gefunden hätte.