laut.de-Kritik
Schneidende Gitarren als Ausdruck gesellschaftlicher Verlogenheit.
Review von Toni HennigMit "Holiday Destination" schlug Nadine Shah vor rund drei Jahren zunehmend politischere Töne an und verlagerte ihre Musik mehr in Richtung krachigen Indie-Rock mit Northern-Soul-Schlagkante. Textlich ging es um ihre multikulturelle Identität, aber auch um das Hinterfragen traditioneller Geschlechterrollen. Als Belohnung zeichnete man das Album bei den AIM Awards zum 'Independent Album Of The Year' aus. Auch wurde es für den Mercury Prize nominiert. Nun knüpft die 34-jährige Britin mit "Kitchen Sink", für das wieder einmal Stammproduzent Ben Hillier hinter den Reglern und an den Drums saß, thematisch und musikalisch an diese Platte an.
Nur prangert sie dieses Mal ganz in der Tradition des Kitchen-Sink-Dramas der 50er Jahre die Verlogenheit der Gesellschaft an anstatt einen Kommentar auf politisch schwierige Zeiten zu liefern. Dabei setzt sie sich mit Alltagsdiskriminierung und Sexismus jeglicher Art auseinander. Das macht "Kitchen Sink" zu ihrer bisher wütendsten Platte. Gleich im Opener "Club Cougar" spuckt sie Gift und Galle, wenn man sich mit Mitte Dreißig schon als Cougar bezeichnen lassen muss. Diese englische Slang-Bezeichnung für Frauen, die nach wesentlich jüngeren Männern Ausschau halten, kritisiert der Soziologe Eric Fassin als sexistisch, da sie die Frau "animalisiere". Auch setzte sich der Begriff Mitte der Nullerjahre zunehmend in der Porno-Branche durch, die Frauen oftmals als Objekt männlicher Gelüste und Perversionen herabwürdigend darstellt.
In "Ladies For Babies (Goats For Love)" beschäftigt sich Shah mit den sozialen Auswirkungen auf Frauen, die sich bewusst gegen Kinder entscheiden, wobei im Refrain ihr derber britischer Humor besonders zum Tragen kommt, wenn sie Sexualpartner mit Ziegen gleichsetzt. Im Titelstück rechnet sie mit spießigen Nachbarn ab, die hinter ihren Gardinen über die Neuankömmlinge tuscheln. Als Britin mit pakistanischem und norwegischem Background geht sowas nicht spurlos an ihr vorbei. Trotzdem findet sie in dem Track als selbständig denkende Frau einen neuen Platz in dieser Welt.
Dennoch hilft im schlimmsten Falle, wenn sie sich permanent mit gesellschaftlichen Vorurteilen und althergebrachten Rollenklischees konfrontiert sieht, nur noch der Alkohol, wie "Buckfast" und "Ukrainian Wine" nahelegen. Bei aller Wut nimmt sich Shah aber auch immer wieder Zeit, um kurz innezuhalten, etwa wenn es in "Trad" heißt: "Shave my legs / Freeze my eggs / Will you still love me when I'm old?"
Musikalisch gestaltet sich das Werk deutlich abwechslungsreicher als der Vorgänger. Die an 80er-Jahre-Post-Punk und Indie-Rock-Vorbilder erinnernde Sound-Ästhetik weicht dabei einer zunehmend erdigeren, bluesigeren Klangsprache, die auch dem Soundtrack zur nächsten "Peaky Blinders"-Staffel gut zu Gesicht stünde. Das Krachige bleibt dabei erhalten.
So erweist sich "Club Cougar" durch den exorbitanten Einsatz von Northern Soul-Bläsern als ein wuchtiger Einstieg. In "Ladies For Babies (Goats For Love)" grätscht immer wieder eine schneidende Gitarre rein, ebenso wie im spröden Titelstück, was den textlichen Scharfsinn hervorragend unterstreicht. Dagegen dominiert in "Dillydally" schräges Geflöte. Mit "Trad" beschreitet sie dann zunehmend melancholischere Sphären im Refrain. "Kite" wirkt schließlich mit seinen glockenspielartigen Klängen, dem molligen Piano und den düsteren Background-Gesängen wie ein gespenstisches Nachtlied.
Ganz anders "Ukrainian Wine", das an die treibenden Nummern PJ Harveys erinnert, und "Walk", das mit überdrehtem Kneipenschläger-Blues Marke Gallon Drunk aufwartet. Jedenfalls fällt das Album trotz einiger nachdenklicher Töne häufig noch etwas unbequemer aus als man es von Nadine Shah erwartet hätte.
Andererseits fehlt dafür die Stringenz und die Geschlossenheit, die den Vorgänger auszeichnete. Da die Britin musikalisch öfter ihre Krallen ausfährt, gerät das Ergebnis sperriger. Demzufolge beißen sich ihre Melodien nicht mehr so eindringlich im Ohr fest. Dafür kommt ihr rauer nordenglischer Akzent besser zur Geltung. Auch betont die Mittdreißigerin ihre soulige Seite, wenn sie jede einzelne Silbe genussvoll dehnt. Dadurch fokussiert sie sich überwiegend auf die Message der einzelnen Songs. Gut, dass sie zwischenzeitlich auch immer wieder Wege aufzeigt, wie sich als Frau ein selbstbestimmteres Leben erreichen lässt, anstatt nur die angry british woman zu geben.
3 Kommentare mit 32 Antworten
So viel relevanter als viel, was hier sonst besprochen wird!
weil?
Darum!
Einfach anhören und Meinung bilden.
Und wenn die dann ein anderes Ergebnis abbildet.... sei es drum!
Will ich da reinhören oder ist das Musik für alte, weiße Männer?
puuuh.... kann ich jetzt nicht so beurteilen, wie Dir das gefallen dürfte. Würde an Deiner Stelle eher mit der "Holiday Destination" anfangen. Und auch da würde ich nicht davon ausgehen, dass es Dir zusagt.
Aber Musik für weiße, alte Männer..... eher nicht.
"...und verlagerte ihre Musik mehr in Richtung krachigen Indie-Rock..."
Wenn ich das lese kommt mir halt das Frühstück wieder hoch, deshalb frage ich.
Para‘s Musikgeschmack ist über alle Zweifel erhaben.
Auch wenn ich hierzu irgendwie keinen Zugang finde.
Ist irgendwie kein „Sommeralbum“ also muss ich wohl erstmal weiter Marquess pumpen.
""...und verlagerte ihre Musik mehr in Richtung krachigen Indie-Rock..."
Wenn ich das lese kommt mir halt das Frühstück wieder hoch, deshalb frage ich."
E-Gitarren kommen durchaus vor.
Hör einfach mal an:
https://www.youtube.com/watch?v=2UaslZYIBv…
Der grundgute, weise, sowie einfach bester Mann Para lässt die Ochsenprovo einfach an sich abperlen, wie souverän kann man bitte sein? Props af.
Kam bei mir nicht als Provo an.
lauti ist ein Überspargen. Er ist gefangen in seiner Welt aus Provo und eingeschnappt sein...TRAURIG!
So ein Käse, NIEMAND ist gefangen oder eingeschnappt!
"Musik für alte, weiße Männer?" soll keine Provo sein? Na dann..
Lauti, ich würde niemals mit dir schlafen.
lauti, das war ein kleiner Jokus. Du bist definitiv gefangen im Kreislauf aus Misstrauen und Rumjammern.
Bin ja eigentlich der letzte, der unserem Craze zur Seite springt und auch auf die Gefahr hin, dass er sich jetzt wieder vorkommt wie auf dem heißen Stuhl im Kreuzverhör - aber ja, ist mir gerade erst vor 2 Tagen beim Überfliegen eines Nachbarthreads wieder aufgefallen, dass lauti bei aller Anonymität noch immer arge Schwierigkeiten damit hat, wenn irgendwer irgendwo im Internet falsche Behauptungen zu seiner Person oder nur dem von ihm betriebenen Muppet aufstellt...
...kurzer Blick in die psychologische Einbauküchenzeile offenbart, dass dies ein Schlüsselindiz für einen verkümmerten Selbstwert ist. Hilft alles nix, lauti, da solltest du mal ran. Die von die so bewunderte Souveränität eines Para ist durchaus erlernbar. Positiver Nebeneffekt: Misstrauens- und Jammervorwürfe werden ohne weiteren Nachdruck von einem selbst (der ja bei den Kritikern auch nur weiter das Gegenteil von einem souveränen Eindruck bekräftigt) haltlos!
Ich würde es eher unterste Besteckschublade nennen, in die doch einiges an Charakter reinpasst, Soulburn.
Ach du meine Güte..
*meinte das Kommi vom Doc, sollte klar sein.
Na hopp, so kompliziert ist das jetzt echt nicht gewesen und mit dem "Kam bei mir nicht als Provo an" hat Para dir wirklich schon ein mächtiges Puzzleteil zum Anheben des eigenen Selbstwerts und in dessen Folge der eigenen gehobenen Souveränität in der Fremdwahrnehmung in den Schoß geworfen...
Veränderung erfordert Anstrengung, #izkla, aber bedenke: Wenn es anstrengend wird, geht es für gewöhnlich bergauf.
Echt? In meinem Kalender steht, dass wenn es anstrengend wird, es bergab geht, weil schon der nächste Berg in Sicht ist. Vielleicht sollte ich endlich mal den Januar umblättern...
Ich habe wie immer vollstes Verständnis für eure Befindlichkeiten!
"Will ich da reinhören oder ist das Musik für alte, weiße Männer?"
Erfüllst du nicht immerhin zwei Drittel der Voraussetzungen?
Ja, und jetzt?
Was ich mich schon seit Ionen frage, wir hatten Nazi-Trolls, Klonarmeen, Küchenpsychologen ... aber noch nie Bots die Links zu Pornoseiten posten. Merkwürdig
...
So ein PornoPsycho, das wär doch mal was ...
@Ermittli, doch, die gabs auch schon.
Und den legendären Bot, der uns darüber informierte, dass Herr Egbeble Augustin aus dem Kongo jetzt in Deutschland lebt.
"Was ich mich schon seit Ionen frage, wir hatten Nazi-Trolls, Klonarmeen, Küchenpsychologen ... aber noch nie Bots die Links zu Pornoseiten posten. Merkwürdig "
Kann mich schon erinnern, aber die wurden alle schnell gelöscht.
Kann mich aber auch täuschen. Aber sowas wie "Hallo, ich bin Alina, 24, wenn du Lust hast, exklusive Bilder oder Videos von mir zu sehen", habe ich schon gelesen.
Das glaube ich dir gerne.
Gilt ein "Hurensohn-Fetisch" eigentlich auch schon als Porno? Wenn ja, dann würde ich vorschlagen MannIN zu ernennen. Mit etwas Phantasie könnte man ja daraus "im Mann(dr)IN" machen. Zumindest gedanklich.
Dann müsste er sich nicht löschen und wieder anmelden und könnte gleichzeitig ohne Glaubwürdigkeitsverlust seine "Lösch-dich-Zwangsneurose" parallel weiterführen.
Deal ?
Hat was Prätentiöses an sich, aber hassen muß mans dafür nicht. Geht in Ordnung.
Wie gnädig von dir.
Bin heute sehr gönnerhaft. Hat ja sonst keiner Meinungen zu Dingen.
Kannte ich vorher gar nicht, klingt aber ziemlich gut. Gerade ihre Stimme und der Blues-/Souleinschlag.