laut.de-Kritik
1970 war Neil Youngs Welt noch in Ordnung.
Review von Giuliano BenassiDa ist sie endlich, die erste CD mit dem lange angekündigten Material aus Neil Youngs Musikkeller. Hunderte von Aufnahmen, die nie das Licht der Welt erblickt haben, und die er nun veröffentlichen will - ähnlich wie Bob Dylan mit seiner "Bootleg Series".
Für den Anfang hat sich Young etwas ganz Besonderes ausgesucht: Ein Konzert mit Crazy Horse aus dem Jahr 1970. Nach seinem Auftritt mit Crosby, Stills & Nash 1969 in Woodstock hatte sich der Kanadier gerade einer breiteren Öffentlichkeit empfohlen, doch erst 1972 sollte ihm mit dem Album "Harvest" und der Single "Heart Of Gold" der große Durchbruch gelingen. So erlebt der Zuhörer einen Künstler, der sich bereits am Rande des Erfolgs befindet, ohne es zu wissen.
Nicht, dass sich Young jemals für Ruhm und Reichtum interessiert hätte. Beherzt greift er in die Saiten seiner E-Gitarre und legt mit dem Titelstück seines damals neu erschienenen zweiten Soloalbums los. Wesentlich hat sich sein Stil seitdem nicht verändert, mal davon abgesehen, dass seine Stimme damals noch etwas voller klang. Anders sieht es beim Sound von Crazy Horse aus, an dem nicht der Zahn der Zeit genagt hat, dem aber ein wesentliches Mitglied abhanden gekommen ist: Danny Whitten.
Wie perfekt sich die beiden ergänzten, zeigt sich spätestens bei den Gitarren und dem Gesang auf "Winterlong". Der Klassiker "Down By The River" ist zwölf Minuten lang, doch kein Wimpernschlag davon scheint unnötig. Das fröhliche "Wonderin'" sollte als Studioversion erst 1983 auf dem Album "Everybody's Rockin'" erscheinen, was daran liegt, dass Whitten die erste Stimme übernahm. Eine Hommage, wie auch "Come On Baby Let's Go Downtown", das Young nicht von ungefähr 1975 auf dem düsteren "Tonight's The Night" veröffentlichte.
1970 war Youngs Welt noch in Ordnung. Zwei Jahre später sollte Whitten an einer Überdosis Heroin sterben und den Bandleader in ein tiefes Loch reißen. Als Erinnerung an jene Zeit bleibt das abschließende 14-minütige "Cowgirl In The Sand", in dem sich die Gitarren ein letztes Mal verweben.
Der tolle Abschluss eines gelungenen Albums, das den einzigen Fehler aufweist, offenbar nur einen Teil des Auftritts wiederzugeben. Oder warum stellt Young seinen Pianisten Jack Nietzsche vor, wenn auf der Platte keine einzige Klaviernote zu hören ist? Doch das ist nur eine Anmerkung am Rande. "Live At The Fillmore East" bietet einen gelungenen Einstieg in Youngs frühe Schaffensphase. Danach wurde es trauriger, bitterer, ernster. Fortsetzung folgt.
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