laut.de-Kritik
Immer Meer vom Country.
Review von Franz Mauerer"Oceanside Countryside" ist ein depperter Name, eigentlich heißt es "Oceanside/Countryside", das vorliegende Album setzt sich nämlich aus zwei Teilen zusammen. Als krasse Young-Afficionados habt ihr das alles irgendwie schon mal gehört, unter anderem auf "Neil Young Archives Volume III: 1976–1987" oder "Live At Massey Hall 1971". Da von Young stellenweise aber alle Pupse aufgenommen wurden, waren diese speziellen Versionen noch unveröffentlicht. Das Bemerkenswerte ist ja, dass sich Youngs Aufnahmen tatsächlich merklich unterscheiden und seine dekadenalten Pupse wider alle Erwartung frischen Jasminduft versprühen.
"Oceanside Countryside" wurde 1977 aufgenommen und dann schlicht nicht veröffentlicht. Ein so kapriziöses Verhalten leistete sich Young im Laufe seiner Karriere gleich mehrfach ("Homegrown", "Chrome Dreams", etc.), das ermöglicht sein enormer Output. Scheinbar war ihm die Richtung schlicht zu akustisch, vermutlich auch ein wenig zu lieblich, denn das ist das prägende Merkmal des Album-Sounds. Teile der Aufnahme nutzte er für "Comes A Time", das eben folk-rockiger geriet. "Captain Kennedy" hält das Niveau nicht ganz, die Vaterhymne ist immer noch wunderschön, nur passt der Lagerfeuerfolk-Sound hier nicht ganz.
Der Opener "Sail Away" segelt wie ein wunderschönes Kleinod des Eskapismus dahin, es ist eine Freude, Captain Neil zupft dazu gefühlvoll an der Klampfe. Damit setzt er früh einen Höhepunkt und die Stimmung des Albums. "Lost In Space" setzt das Gefühl des Wegkommens fort, mit einer Portion mehr Verlorenheit, insbesondere zum Schluss hin ein luzides Weggleiten auf höchstem Niveau, das sich so richtig anhört und nicht etwa künstlich skelettiert oder weichgezeichnet, während "Captain Kennedy" zu pathetisch ausfällt. Die ersten fünf Songs nahm Young in Florida auf und spielte fast alle Instrumente selbst ein, die zweite Hälfte des Albums dagegen mit Band.
"Goin' Back" gibt sich bockstark wie in allen anderen Versionen des Songs, einfach unkaputtbar und zumindest stellenweise in einer überragenden, da besonders gefühlvollen Version, die aber nicht immer das Energielevel hält. "Human Highway" beschließt die erste Hälfte und setzt seinen starken Beginn nicht fort, Refrain und Bridge verlieren sich ein wenig. "Field Of Opportunity" mäandert und übertreibt den Twang, der in der 78er-Doch-Nicht-Original-Version auf "Comes A Time" besser sitzt, auch wenn es dort ebenfalls einer der schwächeren Songs war. "Dance Dance Dance" ist ein One Trick Pony, wenig mehr als ein Filler für den Countrytanzschuppen, in seiner Rumpeligkeit aber kein wirklich schlechter Song. Diese Aufnahmen sind insgesamt überdurchschnittlich, daran gibt es wenig zu rütteln, wir kritisieren auf hohem Niveau.
"The Old Homestead", wohl der unbekannteste Song des Albums, rollt bassgetragen gemütlich und recht nackt vor sich hin, ein ziemlicher Grower, allein schon wegen seiner verrückten Geschichte, die van Zandt bestimmt gut fand und die man von Young zu selten hört. "It Might Have Been" ersäuft an den eigenen Geigen, dem Closer "Pocahontas", natürlich wohlbekannt von "Rust Never Sleeps", fehlt hier die Dringlichkeit, die das Eingeborenenrechte-Protestlied bräuchte.
Die Ozean- und Küstenlandschaften sind per se keine verwerfliche Geldmacherei, sondern bringen mit ihren 77er-Mixen tatsächlich ein neues, wenngleich oft nicht überlegenes Element in die Songs, zumal sie gemeinsam geplant waren. Unverständlich bleibt nur, warum der 25er-Young die Entscheidung des 77er-Young zur Nicht-Veröffentlichung revidiert; "kein Grund" heißt meist "pekuniär". Was man in diesem Zusammenhang dem ewig bigotten Umwelt- und Sozial-Wenn-Es-Gerade-Passt-Krieger Young mit jugendlichem Schaum vorm Mund vorwerfen muss, das ist die parallele Veröffentlichung in klarem Vinyl und anderer Mummenschanz, der schlicht der Monetarisierung dient. Neil Young ist halt ein ganz normaler Mann und genialer Musiker.
1 Kommentar
back to the roots! Nice to hear, Dude°!