laut.de-Kritik
Tour-Rückblick mit drei neuen Songs.
Review von Klaus HardtGroße Emotionen scheinen endgültig zur Herzensangelegenheit der Hagener Sängerin geworden zu sein. In den 80ern herrschte bei Nena noch die jugendliche Unbekümmertheit vor, in den 90ern war sie mehr mit den Gefühlen in Bezug auf ihre Familie beschäftigt, und seit ihrem Comeback 2001 scheint sie die ganze Welt umarmen zu wollen. War bei dem großen Jubiläumsfest in der Frankfurter Jahrhunderthalle der Blick noch rückwärts gerichtet, schaute sie bei der gerade zu Ende gegangenen Tour nach vorn.
So sind auf "Live Nena Live" nicht mehr so viele der alten Klassiker enthalten, dafür aber drei brandneue Stücke ("Teardrops", "Immer Weiter", "Das ist der Anfang"), die sie kurz vor der Tour mit ihrer aktuellen Band auf Mallorca während einer Jamsession komponierte. "Teardrops" beginnt mit einer Gitarrenbegleitung, die so zart wie Tropfen von einer Wange perlt. Dazu haucht Nena ihre Melodie ins Mikrofon. Langsam steigert sich das Stück durch den Einsatz von Bassdrum und Verzerrer, ehe es in "Ganz Oben" übergeht.
"Immer Weiter" besticht durch tragende Akkorde, fließenden Rhythmus und die eingängige Melodie. Der Text ist so gestaltet, dass das Publikum auch gleich mitsingen konnte: "Und dieses Leben geht ganz einfach immer weiter. Denn wer weiter will, muss weiter gerade aus." Mit dem dritten neuen Stück "Das Ist Der Anfang" richtet Nena wiederum den Blick in die Zukunft und streichelt damit die Seelen der Zuschauer. Das Lied lebt, genau wie die anderen beiden neuen Songs, von Steigerungseffekten und einer eingängigen Melodie. Diese Fragmente feilen Nena und Band wahrscheinlich im Studio noch weiter aus, da sie so noch keine vollständigen Songs darstellen. Allen Stücken gemeinsam ist die Inbrunst und Leidenschaft, mit der sie ihre Songs vorträgt. Zu den großen Gefühlen passt das große Orchester, das die vor Spielfreude strotzende Band unterstützt.
Nena schafft es immer wieder, das Publikum an ihren Gefühlsausbrüchen teilhaben zu lassen, in dem sie es zum Mitsingen, Mitklatschen oder Aufstehen auffordert. Dankbar nehmen die Zuschauer die Animation auf und schweben scheinbar von einem Höhepunkt zum anderen. Vielleicht liegt dieser Eindruck aber auch nur daran, dass der Tontechniker die Live-Aufnahmen so geschickt mit den Publikumsgeräuschen zusammenmischte. Im Endeffekt ist es aber auch nicht so wichtig, denn eine Gänsehaut erzeugt das Hören des Albums auf jeden Fall.
Die Texte unterstützen diese Wirkung. Man kann sich darin wiederfinden und fühlt sich verbunden mit Nena, mit den anderen Fans und vielleicht sogar mit der ganzen Welt. Wem diese schweren Gefühle ein wenig zu dickflüssig daher kommen, sollte die Finger von der Platte lassen, aber jene Leute mögen Nena wahrscheinlich sowieso nicht. Doch für die vielen Anhänger, die vielleicht auf der Tour dabei waren oder sogar zu den 10.000 gehören, die den nun veröffentlichten Livemitschnitt des Kölner Abschlusskonzerts miterlebten, ist diese Platte sicherlich ein Höchstgenuss.
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