laut.de-Kritik

Bild- und Tonfehler verderben den Spaß.

Review von

Der Titel geizt mit großen Worten nicht gerade: "God Is In The House" prangt in großen Lettern auf dem Cover zur ersten DVD von Nick Cave und seinen Bad Seeds. Bescheidenheit erwartet auch niemand von einem Mann, der begnadet gute Songs beinahe wie am Fließband produziert, sich daneben mit "Und die Eselin sah den Engel" als veritabler Schriftsteller etablieren konnte und auch auf der Leinwand stets eine überaus gute Figur gemacht hat.

Ja, der Mann scheint in der Tat auf allen seinen Wegen von Gottes wohlwollender Hand geführt zu sein. Auch der Konzertmitschnitt vom Juni 2001 in Lyon begeistert dank Nick Caves überwältigender Bühnenpräsenz. Dass die DVD indes nicht einmal Die-Hard-Fans bedenkenlos empfohlen werden kann, muss sich Mute Records ins Stammbuch schreiben lassen. Bild- und Tonfehler zeugen von wenig Professionalität und legen die Vermutung nahe, dass der schnelle Euro im Hause Mute deutlich über den ansonsten üblichen Qualitätsstandards angesiedelt wird.

Schade, denn Nick Cave hätte ein gelungenes DVD-Debüt verdient gehabt, schließlich zieht der Meister der positiven Melancholie auch bei seinem Auftritt in Lyon wieder alle Register, um das Publikum in seinen Bann zu ziehen. Ordner in der ersten Reihe sucht man daher vergebens, Cave möchte mit seinen Fans auf Tuchfühlung gehen, sucht den ungefilterten Kontakt zu ihnen. Mit leichtem Ausfallschritt steht er da, den Oberkörper dezent nach vorne gebeugt, schaukelt sich zum Groove seiner Songs auf, bis er seine rechte Hand plötzlich und immer wieder energisch in Richtung Publikum ausstreckt, als wolle er im nächsten Moment eine Peitsche niedersausen lassen.

Angestrahlt vom Scheinwerfer erscheint dann, als gelte es, die Eindringlichkeit seines Auftritts noch zu unterstreichen, der Schatten von Nick Cave am Rande der Bühne auf einer Wand (siehe Cover). Friedrich Wilhelm Murnau grüßt mit seinem Stummfilm-Meisterwerk Nosferatu aus fernen Zeiten. In solchen Situationen ist Nick Cave, der beinahe manische Musikperformer, voll in seinem Element, und die nicht minder charismatischen Bad Seeds, allen voran Neubauten Frontmann Blixa Bargeld, der sich dieses Mal hinter einer Sonnenbrille versteckt, verkommen zur zweitrangigen Staffage.

Auch die Auswahl der Songs lässt keine Wünsche übrig. Klassiker wie "The Mercy Seat" oder "The Weeping Song" von den Alben "Tender Prey" und "The Good Son" bekommen auf "God Is In The House" ebenso ihren Platz zu gewiesen, wie Lieder seiner zum Zeitpunkt des Konzertes aktuellsten Platte "No More Shall We Part". Mit einer furiosen "The Curse Of Millhaven"-Version, die das Original vom "Murder Ballads"-Album locker in die Tasche steckt, findet die Aufzeichnung des Auftritts in Lyon seinen Höhe- und Schlusspunkt zugleich.

Von den DVD-Bonus-Features begeistern vor allen Dingen die drei Promo-Videos "As I Sat Sadly By Her Side", "Love Letter" und "Fifteen Feet Of Pure White Snow", für welches sogar das 80s Teenie-Idol Jason Donovan und Pulp-Sänger Jarvis Cocker gewonnen werden konnten. Nur für Cave-Verehrer interessant ist die rund halbstündige Dokumentation der Aufnahmen zum "No More Shall We Part"-Album in den geschichtsträchtigen Abbey Road-Studios, wo sich die Popprominenz regelmäßig die Klinke in die Hand gibt, um etwas von der legendären Aura zu erhaschen.

Eigentlich eine schöne DVD, der es gelingt das Live-Feeling eines Nick Cave-Konzerts zu transportieren, fällt "God Is In The House" aufgrund der eklatanten technischen Mängel vollkommen durch. Für 25 Euro kann man erwarten, dass die Plattenfirma ihre Hausaufgaben macht und Produkte veröffentlicht, die dem technischen Stand der Zeit entsprechen. Bei den Fans muss das Gefühl zurückbleiben, als dumme Melkkühe missbraucht zu werden. Ernsthaft empfehlen kann ich diese DVD deshalb wirklich nur Sammlern, die meinen, alles von Cave besitzen zu müssen. Alle anderen sollten sich in Geduld üben bis Mute Records sich besinnt, die exzellenten Live-Qualitäten von Nick Cave technisch angemessen umzusetzen.

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