laut.de-Kritik

Rohe Schönheit, kraftvoller Pop.

Review von

Hätte Nicky Wire diesen Ideenreichtum in das letzte Album der Manic Street Preachers gesteckt - es wäre eine richtig gute Scheibe geworden. Vielleicht hat man ihn auch nicht gelassen, wer weiß! Jetzt trumpft der Bassist und Texter der Waliser Sozialistenkapelle jedenfalls einige Zeit später auf "I Killed The Zeitgeist" mit dreizehn feinen Popsongs auf, die vor rauen Melodien strotzen. Um den Teilzeit-Familienvater aber von dem Verdacht des massiven Ideenvorenthalts zu entheben - viele der Songs hätten zu den Manics gar nicht gepasst und entstanden angeblich erst nach den Aufnahmen zu "Lifeblood".

Wire geht mit reichlich Punkattitüde zu Werke: Rotzige Gitarren brechen in Akustikteppiche ein, ausfransende Bässe tun ihr Übriges. Die Stimme kommt kratzig-nölend und dennoch melodiebewusst rüber. "I Killed The Zeitgeist" zeigt als erster Song nicht nur, dass in den englischsprachigen Teilen der Welt deutsche Ausdrücke immer noch en Vogue sind, sondern vereint auch fast alle Elemente, auf die es bei diesem Machwerk ankommt. Wire betont rohe Schönheit und kraftvollen Pop.

In der Abteilung Melodieverliebtheit geht es mit "Goodbye Suicide" langsam los. Lakonisch vorgetragen behandelt Wire das Thema Selbstmord mit ironischem Humor. Ein feiner Zweieinhalbminüter. "The Shining Path" beginnt mit einer gezupften Gitarre, die den Manics auch ganz gut zu Gesicht gestanden hätte. Schließlich wartet der Sechssaiter mit soviel fuzziger Verzerrung auf, dass seine Klangstruktur sich fast vollkommen auflöst.

Wire streut immer wieder kleine Sounds und Zitate ein, die die Platte zu einer Einheit verbinden. Er beschäftigt sich mit vielen Themen, die außerhalb des politischen Spektrums liegen. Liebe, Zweifel und das Leben. Wie kann man Zuneigung besser ausdrücken als so: "We will walk together, we will never part/ We tattoo ourselves and each others hearts". Da darf auch der Grundstein des Songtitels "You Will Always Be My Home" mittig auf der Kitschgrenze liegen.

Ganz unpolitisch geht es dann aber doch nicht. "Nicky Wire's Last" handelt wohl von den Bemühungen, aus der Gesellschaft eine Ansammlung ehrlicher und genügsamer Kollektiv-Individuen zu machen. Sein persönlicher realsozialistisch-avangardistischer Lehrauftrag scheitert immer wieder, lässt ihn alleine und, so scheint es, alsbald resignierend zurück. Revolutionär zu sein ist eben ein hartes Brot.

"I Killed The Zeitgeist" ist ein richtig anständiges Album, das man immer wieder mit Vorfreude aus dem Regal ziehen wird. Es ist stimmig, bietet Abwechslung, ausufernde Sounds und einfach handwerklich gut gemachte Tracks. Ab jetzt bitte mehr Solo-Musik, Herr Wire.

Trackliste

  1. 1. I Killed The Zeitgeist
  2. 2. Break My Heart Slowly
  3. 3. Withdraw / Retreat
  4. 4. Goodbye Suicide
  5. 5. The Shining Path
  6. 6. Bobby Untitled
  7. 7. You Will Always Be My Home
  8. 8. So Much For The Future
  9. 9. Stab Yr Heart
  10. 10. Kimino Rock
  11. 11. Sehnsucht
  12. 12. Nicky Wire's Last
  13. 13. Everything Fades

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