laut.de-Kritik
Der Leipziger Liedermacher gibt den Besser-Ossi.
Review von Giuliano BenassiDie eingefleischten Kenner wissen
Dass die Männer im Osten besser Küssen
Dass die Mädchen im Osten schöner sind
Weiß heutzutage jedes Kind
Dass die Mauern im Osten besser halten
Dass die Meisten hier meistens etwas schneller schalten
Dass eigentlich fast alles besser ist als im Westen
Trotzdem sind wir viel zu bescheiden
Trotzdem kann uns noch nicht jeder leiden
Wir sind viel zu bescheiden
Dass wir irgendwann die Sieger sind lässt sich nicht vermeiden
("Im Osten," Auszug)
Als vor ein paar Monaten der Text zu "Im Osten" in der taz erschien, musste ich vergnügt lachen. Es war ja auch höchste Zeit, Gerhard Schröders letztjährlichen Bundestagspatzer 'hier im Westen, da im Osten' ad Absurdum zu führen und den Spieß umzudrehen.
Hinter der ironischen Ohrfeige versteckt sich eine Leipziger Band, die den Nachnamen des Sänger/Liederautors Kai Niemann trägt. Mit "Die Welt Ist Ein Irrenhaus" liegt nun die unvermeidliche LP zur Single vor.
Die musikalische Basis besteht aus sortierten Keyboardklängen und Rhythmen, die eine klassische Besetzung Gitarre/Bass/Schlagzeug tragen. Trotz verschiedener Ansätze - mal balladesk, mal etwas fetziger - ist die Produktion leider eine Spur zu poppig und billig-synthetisch geraten, um auf Dauer erträglich zu sein. Etwas besser sieht es mit den Lyrics aus. Niemann versteht sich als Texter mit Anspruch und spricht mehrere Themengebiete an: sozialphilosophische Erkenntnisse ("Die Welt ist ein Irrenhaus"), Gefühle ("Einsam," "Komm Zurück," "Odyssee"), Gesellschaftskritik ("Ich Will Dein Geld Nicht"), bittere Menschenportraits ("Niemals Fliegen," "Kaltes Land"). Zwar verleiten die Texte kaum zu Aha-Erlebnissen, aber sie können sich sehen lassen.
Das ernüchternde, kaum überraschende Fazit: "Im Osten" ist mit seiner vokalen Rhythmusbegleitung zu Beginn und vor allem mit seiner Ironie das einzige bemerkenswerte Lied dieses Albums.
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