laut.de-Kritik
Nach knapp zwei Jahrzehnten der erste heftige Ausfall.
Review von David HilzendegenEins vorweg: Wer bahnbrechende Neuigkeiten erwartet, wird enttäuscht. Die wird es aus dem Hause Evelyn in diesem Leben wohl auch nicht mehr geben. Wozu auch? Schließlich funktioniert der typische Nightmares On Wax-Sound schon seit Beginn der 90er durchgehend nahezu ohne Ausfälle.
Da ist der Titel der neuen Platte "Thought So" beinahe Programm, trotz des Umzuges von Leeds nach Ibiza, währenddessen die Ideen zu weiten Teilen der Scheibe entstanden. Selbstverständlich muss es nicht zwingend schlecht sein, wenn vorhandene Stärken bedingungslos ausgespielt werden. Auch dafür steht "Thought So".
Es ist das Timing, dass George Evelyn in die Wiege gelegt zu sein scheint. Gerade als das groovige, mit Congas und einer zurückhaltenden Orgel zersetzte "Da Feeling" langatmig zu werden droht, ertönt diese markante, ungewöhnliche Damenstimme, die dem Titel plötzlich mehr Leben denn je einhaucht.
Gleiches gilt für die gebetsmühlenartig wiederholten "Bringin' It Back"-Chöre im gleichnamigen Titel. Immer, wenn sich der Finger gedanklich schon der Skiptaste nähert, zaubert DJ E.a.s.e. ein Saxophon aus den Reglern, das eine gehörige Portion Jazz beimischt und alle Gedanken an einen Musikwechsel zerstreut.
Leider zieht er dieses Konzept nicht konsequent durch. "Calling" lasse ich mir gerade noch gefallen, landet mit seiner schonungslosen Leichtigkeit jedoch locker in jeder BR Space Night. "Pretty Dark" hingegen plätschert an seinen spannendsten Stellen wie der Dorfbach eines x-beliebigen oberbayerischen Provinznestes dahin. Zwei Titel, die im Club für Gewöhnlich nach etwa 60 Sekunden ausgefaded werden, um die Gäste mit dem Kontrast einer satten Basslinie und astreinen Breaks zu belohnen.
Beides fehlt der Scheibe in weiten Teilen. Keine ausgefeilten Arrangements, kaum sich selbst tragende Bässe, dafür ein Hangeln von Loop zu Loop, das insgesamt zwar nett anzuhören ist, sich aber kaum dazu eignet, über die eigentliche Spielzeit hinweg präsent zu bleiben. Es fehlt die Freude am Spiel, die beispielsweise "Damn" und "Deepdown" der Vorgängerplatte so stark macht.
Ein weiteres Beispiel gefällig? "Hey Ego" versinkt mit seinen Streichern und seinem Piano nur so im trostlosen Kitsch, "Still? Yes!" ist zwar auf Dub und Reggae getrimmt, geht aber auch als abgespeckte Version von "195lbs" durch. Wenigstens "Be There" kommt nochmals mit einer einprägsamer Basslinie daher. Und das soll es wirklich schon gewesen sein?
Irgendwann ist immer das erste Mal: Sieht ganz so aus als erlebe der typische Nightmares On Wax-Sound nach knapp zwei Jahrzehnten seinen ersten heftigen Ausfall.
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