laut.de-Kritik
Subbässe treffen auf Drum'n'Bass Grooves, Trip Hop goes real Jazz
Review von Kai KoppOhmannomann, was hat dieser Mensch bloß losgetreten? Seit Nils Petter Molvaer darf der ansonsten so seriöse Jazz eine Liaison mit der zeitgemäßen Elektronik eingehen und die Fachpresse überschlägt sich noch dabei! Was ist geschehen?
1998 veröffentlicht Nils das Album "Khmer". Der bis dahin international nicht so sehr beachtete Trompetenspieler tritt damit eine Welle los, die seinen skandinavischen Kollegen, allen voran Bugge Wesseltoft, den Weg ebnet zu einer neuen Crossover-Kultur, wie wir sie seit der Fusion zwischen Jazz und Rock in den 70ern nicht mehr erlebt haben. Die Remixe damals von The Herbaliser, Rockers Hi-Fi, Mental Overdrive, Mother Nature's Cloud und Shower Show transportierten die abenteuerlichen Klänge an die Spitze der Club-Charts. So sind auch vom aktuellen Album "Solid Ether" - was soviel heißt wie "solider Äther", ein Paradox - bis Ende des Jahre einige Remixe geplant, die Herr Molvaer zuerst auf seinem eigenen Label auf Vinyl vertreibt. Gegen Ende des Jahres soll dann ein Silberling von ECM mit den gesammelten Werken erscheinen.
Soviel zur Geschichte, was aber macht den Reiz an Nils' Klangexperimenten so interessant?
Die Innovation als erstes: Es war an der Zeit, eine gelungene Mischung aus Jazz und Electro zu kreieren, die überzeugt. Einige europäische Kollegen, Frederic Galliano und J. Swinscoe´s Cinematic Orchestra beispielsweise, und Nils beschreiten zusammen dieses Territorium und präsentieren herausragende Werke, die die Jazzer aufhorchen lassen. Es gibt einen Jazz nach Bebop, auch wenn die Marsalis-Polizei das nicht wahrhaben will.
Als zweites das kreative Potential, dass der Musik inne wohnt. Subbässe treffen auf Drum´n´Bass Grooves, Trip Hop goes real Jazz, die Trompete ordentlich durch Effekte gejagt und eine Gitarre, die jenseits von Gut und Böse agiert. Zusammen mit dem DJ eine explosive Mischung, die den Jazz tanzbar macht. Bewiesen hat die Crew das bereits auf mehreren internationalen Jazz- und Rockfestivals in Montreux, Den Haag, Roskilde, New York, Washington und Montréal. Ich durfte die Show live in Zürich erleben, und die Eindrücke von dort finden sich nun in gepresster Form wieder.
Atmosphärisch dichte Klangkollagen, unterbrochen von der mehr oder weniger klaren Linienführung der Trompete. Phatte Beats kombiniert mit tiefen, schiebenden Bässen und immer wieder die Klangeskapaden des Gitarristen Eivind Aarset machen die Platte zum Vorreiter des New Jazz, den im Moment die Norweger am stärksten prägen.
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