laut.de-Kritik
Rückkehr zum eleganten Kaffeehaus-Jazz.
Review von Sven KabelitzNorah Jones hat viele Seiten. Einige davon probierte sie im letzten Jahr auf der EP "Begin Again" aus. Eine vielfältige Spielwiese voller unterschiedlicher Einflüsse. Mit ihrem siebten Album "Pick Me Up Off The Floor" geht es nun jedoch zurück zu ihrem oft zu braven und aufgeräumten Kaffeehaus-Jazz. Dem sicheren Sound, für den sie seit ihrem Debüt "Come Away With Me" in der öffentlichen Wahrnehmung steht.
An dieser Rückbesinnung auf ihre elegante Mischung aus Jazz, Blues und Folk gibt es erst einmal nichts auszusetzen. Qualitativ bewegt sich die Sängerin, Pianistin und Songwriterin weiterhin auf sehr hohem Niveau. Im direkten Vergleich wirkt "Pick Me Up Off The Floor" jedoch einfach etwas zu bieder. Zu sehr vertraut sie auf ihre Formel, dunkelt nur zeitweise die Stimmung etwas mehr ab als sonst.
Der Nachfolger zum 2016 erschienen "Day Breaks" entstand eher zufällig. Er beinhaltet Lieder und Aufnahmen, die abseits ihrer Single-Reihe der letzten Jahre entstanden und die nie als Album gedacht waren.
"In jeder Session, die ich gemacht habe, gab es zusätzliche Songs, die ich nicht veröffentlicht habe, und sie haben in den letzten zwei Jahren sozusagen angesammelt", erklärt Jones. "Ich war wirklich verliebt in sie, hatte die Rohfassungen auf meinem Handy und hörte zu, während ich mit dem Hund spazieren ging." Früher nannte man das Raritätensammlung. Ein Ausschlachten der Ideen, die es bisher nicht ins Rampenlicht schafften. Nimmt man dies als Grundfaden, ist "Pick Me Up Off The Floor" wirklich gelungen.
Bei jedem Stück arbeitete Norah Jones mit einem anderen Team zusammen, was eine ganze Reihe hochkarätiger Musiker auf das Album spült. Zu ihren gehören unter anderem der Schlagzeuger Brian Blade, Bassist John Patitucci, die Bratschistin Ayane Kozasa und Saxofonist Leon Michels.
Der bekannteste Name dürfte jedoch Wilco-Chef Jeff Tweedy sein, mit dem "I'm Alive" entstand. Seite an Seite mit dessen Sohn, dem Schlagzeuger Spencer Tweedy. Tatsächlich findet sich viel der Alternative Rock-Band in dem zurückhaltenden Track wieder, verbindet sich aber geschickt mit Jones' Pianospiel. Die für sie so typische Stimme, ebenso sanft wie kratzbürstig, folgt den Weg einer Frau während der #metoo-Bewegung. Von unterdrückt zum offenen Kampf. Von "Just sit and wait / Don't move, just hesitate" zu "She walks, she runs / She fights, almost as one / And finds her voice / She'll march / She has no choice" in weniger als einer Minute.
Nach einem sanften Einstieg sticht das rauere "Say No More" deutlich hervor. Wie aus einem Jazzclub bei Nacht erklingen Bläser. Das sich langsam auf ein Solo hinarbeitende Piano vereint sich mit ihnen zu einem abgehangenen Track mit deutlicher Schlagseite in Richtung der Stax-Aufnahmen der 1970er.
"Were You Watching?" überrascht dank der Violinistin Mazz Swift mit keltischer Atmosphäre. Das heruntergefahrene Arrangement des flüsternden "How I Weep" gibt Jones nur Cello, Geige und Bratsche zur Seite. "How I weep for the loss / And it creeps down my chin / For the heart and the hair / And the skin and the air / That swirls itself around the bare", singt sie.
Mit "Pick Me Up Off The Floor" rüttelt Norah Jones nicht an ihren Grenzen. Sie bleibt ihren musikalischen Attributen weitestgehend treu, lässt nur wenig Platz für Neues. So steht am Ende harmonischer Piano-Jazz, voller Gefühl vorgetragen. Das größte Problem des Albums bleibt, dass so vieles, das sie in den letzten zwei Jahren als Single oder EP veröffentlichte, schlichtweg spannender klang.
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