laut.de-Kritik
Eine grandiose Rückkehr zu den Jazz-Wurzeln.
Review von Markus BrandstetterWir erinnern uns: Als Norah Jones 2002 ihr Debüt "Come Away With Me" auf den Markt brachte, wurde sie dafür nicht nur mit Grammy Awards und Popularität überhäuft, sondern etablierte auch das Genre des Starbucks-Jazz: Akustische, smoothe Musik für die perfekte Hintergrundbeschallung in jedem Coffee-Shop, zigtausende Nachahmer inklusive. Samtig-kulinarische Musik, toll gemacht und mit ungefähr soviel Ecken und Kanten wie eine lauwarme Tasse Pfefferminztee.
Wunderschön reduzierter, sparsam instrumentierter, aber eben auch sehr leicht verdaulicher Pop-Jazz (oder Jazz light, wie Opponenten und Spötter gerne zu sagen pflegten). Beim Folge-Album "Feels Like Home" wurde es dann sogar noch heimeliger, hinzu kam ein wenig Folk-, Country- und Acoustic Sound, immer noch tolle Songs und - siehe das Video zu "Sunrise" - noch eine ganze Wagenladung Niedlichkeit mehr. Spätestens da war Norah längst ein etablierter Act, tourte, was das Zeug hielt und hatte eine tolle Band am Start (u.a. mit ihrem Ex-Freund Lee Alexander am Kontrabass und dem großartigen Gitarristen Adam Levy).
Als Norah nicht mehr das Jazz-Light-Wunderkind war, bekam sie auch schnell Lust auf andere Sachen: E-Gitarren und Willie Nelson, neue Bands, weg vom putzigen Image und ein paar Experimente. Das war nachvollziehbar und verkaufte sich auch nicht schlecht, kam aber weder ans tolle Debüt noch an das auch sehr schöne Zweitwerk heran.
Mit "Day Breaks", ihrem sechsten Longplayer, geht es zurück zu den Wurzeln - und auch wieder zurück ans Klavier als Hauptinstrument. Und weil wir es hier mit dem Label Blue Note zu tun haben und Norah auch längst ein household name ist, liest sich das Line-Up der Musiker natürlich auch nicht ganz miserabel: Wayne Shorter am Saxophon, Brian Blade am Schlagzeug, John Patitucci am Kontrabass und Dr. Lonnie Smith an der Orgel. Damit kann man durchaus arbeiten - neun eigene Stücke und drei Covers sind es geworden, letztere von Horace Silver, Duke Ellington und Neil Young.
Die Stimmung ist blue, melancholisch und verraucht beim Opener "Burn" erklingt rudimentäres Schlagzeug, die Patituccis Kontrabass viel Raum gibt. Darüber erklingen zarte aber effektive Piano-Fills, gepaart mit Shorters unglaublichem Sax-Spiel. Der Song schleicht sich ein, nimmt sich Zeit, gibt eine Atmosphäre vor.
Der zweite Song "Tragedy" klingt dann beinahe wie Vintage-Norah - nur textlich wäre so etwas mit Sicherheit nicht auf dem ersten Album gelandet. "Tragedy" handelt vom Abstieg in den Alkoholismus eines jungen Mannes: "So he gave them up just to fill his cup/ Every sip would make him feel alive/ No bones in his body were dry", singt sie.
Die Melodien sind immer noch anschmiegsam, oft angenehm anachronistisch ("And Then There Was You"), das Timbre ein wenig rauchiger, gereifter als zuvor. Wunderbar ausgewählt sind die Covers: Youngs "Don't Be Denied" zeigt einmal mehr, dass Jones Country aus dem FF kann, Horace Silvers "Peace" ist ein grandios arrangierter und gespielter Jazz-Song für die lange Nacht (und hätte definitiv auch auf "Come Away With Me" Sinn ergeben) - und ganz am Ende, da widmen sich Jones, Shorter & Co Duke Ellington: Das Instrumental "Fleurette Africaine (African Flower)" macht den beeindruckenden Abschluss.
"Day Breaks" ist eine grandiose Rückkehr zu Jones' Wurzeln - und das Jazzigste, das die 37-Jährige bisher veröffentlicht hat. Große Hits wird man auf der Platte vergeblich suchen, dafür wunderbare, stimmungsvolle Arrangements und Songs - und Jones in Bestform, sowohl stimmlich als auch am Piano.
6 Kommentare mit 4 Antworten
Läuft derzeit auf Heavy Rotation bei mir. Traue mich bereits jetzt zu sagen, dass es ihr bis jetzt bestes Werk ist. Auch wenn mir die direkten Vorgänger auch gut gefallen haben (die man ja schon fast als Indie ('tschuldigung) bezeichnen könnte), haben es nach all den Jahren ihre erste beiden Alben dann doch regelmäßiger auf den Teller geschafft. Und das Neue - noch jazzigere - wird jetzt da wohl entgültig eine Zeit lang kleben bleiben.
Und das stilvolle Cover schrie: Kauf mich! Aber mit Jazz und Shorter ist man bei mir eh an der richtigen Adresse. Ich hoffe, sie setzt ihre Stärken hier um. Dass sie was kann, muss sie ja nicht mehr beweisen.
Habe ich tatsächlich nie gehört, ist es möglich da irgendwelche stilistischen Referenzen zu nennen?
Dieser Kommentar wurde vor 8 Jahren durch den Autor entfernt.
Ihre ersten Alben sind schon eher aalglatter Kaffeehaus-Jazz-Pop. Ich habe "Day Breaks" gerade gehört und gerade zu Beginn greifen die Musiker ein paar lässige Cool-Jazz-Sachen auf. Das Ellington-Cover gefällt mir auch. Dazwischen gibt es etwas Country/Folk und ein paar etwas süßliche Streicher im 60er-Stil. Im Großen und Ganzen sehr gelungen.
Cool-Jazz... ok, das macht mich schon ein bisschen an. Ich werde reinhören, vielen Dank!
Hab 5 Sekunden reingehört. Wenn ich Melody Gardot hören will, hör ich Melody Gardot.
Also lieber das Cover statt das Original?
Wayne Shorter am Sax und ein Horace Silver Cover. Ist vielleicht wirklich einmal Probehören wert.
Gehöre auch zu den großen Bewunderern Norahs Musik und ihrer Person. Während ich mir ihren Erstling nach knappen 16 Jahren aber nur noch selten mal geben kann, bin ich nach wie vor immer wieder bei 'Feels Like Home' oder 'Not Too Late' dabei. Ganz fantastische Alben, die hervorragend zum ersten Kaffee am Morgen passen, wenn es draußen noch dunkel ist und die erste Zigarette lockt.
Darüber hinaus bin ich aber fast noch mehr Fan von ihren Ausflügen in den Folk und Country. Ob mit ihren Bands, den 'Little Willies' oder 'Puss N' Boots', ich verehre sie dafür. Wie groß sind denn die Chancen gewesen, dass diese begnadete Jazz-Musikerin wirklich astreinen Country machen kann?
In diesem Zusammenhang sei unbedingt nochmal auf ihr Duett-Album mit Billy Joe Armstrong verwiesen, das für mich zu den Top 5 Alben des Jahres 2013 gehört.
Nun also wieder Jazz. Die Vorab-Singles konnte ich bereits über Spotify hören und hatte ebenfalls sofort ihr Debutalbum im Kopf. Das ist schon ein sehr starker Rückbezug zu ihren Anfängen, ohne dies wertend zu meinen. Ich bin nun also selbst sehr gespannt auf das neue Album, werde es mir an einem der folgenden Herbstmorgen gönnen. Und selbst wenn es mir vielleicht nicht soo sehr zusagen sollte, so freut es mich eben für all die Jazz-Fans, die jetzt auch wieder auf ihre Kosten kommen dürften.
Norah Jones ist eine über jeden Zweifel erhabene Musikerin und Persönlichkeit, die soll mal einfach das machen, wonach ihr grad der Sinn steht. Ich werd ihr wohl auf ewig die Treue halten.