laut.de-Kritik

Persönliche Dramen vor finsterer Kulisse.

Review von

Elektronisch, progressiv und vor allem düster: Auf Studioalbum Nummer fünf errichten Northlane eine nahezu dystopische Kulisse. Während andere den Weg vom organischen Metalcore hin zum elektronischen Soundgewand suchen, um die festgefahrenen Strukturen des Genres aufzubrechen, verleihen die Australier ihrer wahren Identität Ausdruck. Die ist schon immer geprägt von Experimentierfreude und einem Gespür für die unheilvollen Zeichen unserer Zeit.

So kommen die Aliens keineswegs wie im Science Fiction-Streifen aus einer fernen Galaxie, sondern leben bereits unter uns. Wir sind uns fremd geworden, haben uns isoliert und meist in virtuelle Scheinwelten zurückgezogen, so der Tenor. Textzeilen wie "Maybe I'm just like the rest of them, but I refuse to take the medicine to escape the mess I'm in" ("Talking Heads") verdeutlichen den Kampf gegen diese Apathie.

Abseits des beklemmenden Settings legt Sänger Marcus Bridge den Finger ebenso schonungslos in die Wunde seiner eigenen Geschichte. Geprägt von traumatischen Kindheitserfahrungen wandelt er mitunter manisch am Abgrund entlang: "I was raised in hell, I made it out only by myself." Die persönliche Komponente macht "Bloodline" zu einem fesselnden Track.

Rein akustisch findet die Schattenwelt ihre Entsprechung. Überall herrscht Endzeitstimmung: Beats pochen in der Dunkelheit, der Bass vibriert und verzerrte Schreie klingen, als seien sie in einer anderen Dimension gefangen. Immer wieder drängen sich Parallelen zu Marilyn Manson, Korn oder den Deftones auf. Durchaus im positiven Sinne, wie "Details Matter" oder "Eclipse" unter Beweis stellen.

Bei aller Faszination angesichts des verstörenden Effekt-Feuerwerks: Zuweilen läuft die Band Gefahr, abzudriften, ja, sich gar im Techno-Rausch zu verlieren ("4D"). Letztlich setzt sich die Wucht des Metalcore dann aber doch rechtzeitig durch. The dose makes the poison - und damit bleiben Northlane einer der spannendsten Acts des Genres.

Im Wechselbad der Gefühle nähren anmutige Clean-Vocals und hasserfüllte Growls den Zwiespalt zwischen Hoffnung und Verzweiflung. Zwischen diesen Polen hin und hergerissen wächst ein Song wie "Freefall" zum Monstrum heran. Kontrast ist eben Trumpf.

Nach dem starken "Mesmer" (2017) machen sich Northlane weiter frei von lästigen Genre-Zwängen. Die elf neuen Tracks erzeugen eine Atmosphäre, die nur wenig Licht zulässt, die Fähigkeiten der Jungs aber vorteilhaft ausleuchtet. Nicht immer leicht zu verkraften, doch ausdrucksstark allemal.

Trackliste

  1. 1. Details Matter
  2. 2. Bloodline
  3. 3. 4D
  4. 4. Talking Head
  5. 5. Freefall
  6. 6. Jinn
  7. 7. Eclipse
  8. 8. Rift
  9. 9. Paradigm
  10. 10. Vultures
  11. 11. Sleepless

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